24 kurze Albträume (German Edition)
die Barriere zwischen uns. Das Fensterglas ist kalt und ein sanftes Schaudern durchfährt mich. Du siehst mich nicht. Wie immer ist das Licht auf deiner Veranda kaputt, und ich verschwinde nahezu zwischen den Schatten der Bäume und der einbrechenden Dunkelheit. Das perfekte Versteck.
Wieder wirfst du einen Blick auf die Uhr. Du lässt von der Stange ab und beginnst stattdessen, dich zu dehnen. Während der letzten Wochen hast du große Fortschritte gemacht und ich sehe dir die Freude daran an. Der menschliche Körper ist mehr als nur faszinierend. Und immer wieder schielst du zur Uhr.
Ein oder zwei Minuten lang werde ich dir noch zusehen. Maximal fünf. Länger wirklich nicht. Ich starre dich an, nehme jedes noch so kleine Detail deiner Präsenz in mir auf. Viel zu früh werden diese unbemerkten Augenblicke wieder vorüber sein. Ein tiefes Durchatmen und ich löse meine Finger von der Scheibe.
Kaum hörbar knistern die Blätter unter meinen Schuhsohlen. Langsam nähern sich meine Schritte deiner Haustüre. Meine Hand hebt sich und ich klopfe.
Ich höre wie du aufspringst und zur Tür läufst. Stürmisch reißt du sie auf. Ein Strahlen liegt auf deinem Gesicht, als du mich mit einer Umarmung begrüßt. Du bist es gewohnt, dass ich mich verspäte und ich werde mich hüten, dir den Grund dafür zu verraten.
Han Gartner
Verbundenheit
Ihn fröstelte. Von einer Sekunde auf die andere schien der Winter eingebrochen zu sein. Frank sah sich verwirrt um. Spürte nur er den Umschwung? Wie konnte das sein?
Die Erkenntnis, dass es wieder begann, erschreckte ihn zutiefst. Mit weichen Knien schwankte er zur nahen Bushaltestelle und ließ sich in eine freie Sitzschale fallen. Das Zittern ließ seinen Blick verschwimmen.
Gleich musste es geschehen! Er würde unweigerlich den oder die Auserkorene sehen. Wie beim letzten Mal vor zwei Jahren, nur war es diesmal viel schlimmer. Damals war gerade mal ein Kribbeln seinen Rücken heruntergelaufen und im nächsten Moment hatte er sie gesehen. Als wenn alles andere drumherum unschärfer würde und nur sie klar abgegrenzt und irgendwie heller, wie mit einem Leuchten umgeben. Er hatte noch versucht, sie zu warnen. Vergeblich. Beim ersten Mal hatte er am nächsten Tag von dem tragischen Tod einer Frau gelesen. Mitten am Tag, mitten in der Stadt in einer Nebenstraße war sie entdeckt worden. Da keine Papiere bei ihr gefunden worden waren, hatte die Polizei eine Beschreibung der Toten in die Zeitung gesetzt. Frank war schlecht geworden und der Schwindelanfall hatte ihn umgeworfen.
Wie durch einen Schleier bekam er mit, dass ein Bus abfuhr, dessen Ankunft er nicht mitbekommen hatte. Er hob den Kopf - und da sah er ihn.
Der junge Mann auf der anderen Seite der Straße saß wie er an der Bushaltestelle. Alles andere drumherum verschwamm. Nur er selbst strahlte. Von einem auf den anderen Moment kam zu dem Kältegefühl auch ein Schweißausbruch. Frank krümmte sich auf seinem Sitz zusammen, konnte aber den Blick nicht von dem Mann lassen, der noch völlig ahnungslos mit seinem Handy spielte.
Auf einmal erinnerte Frank sich an den Moment, an dem seine ältere Schwester ihn einmal beiseite genommen hatte. Damals war er vierzehn gewesen. In seinem Kopf klang ihre Stimme hohl nach.
»Wir beide sind was Besonderes. Manchmal fühle ich genau, wie du dich fühlst. Es ist eine eigenartige Sache.« Und dann hatte sie noch etwas hinzugefügt, das er nicht verstanden hatte. »Bei starken Emotionen ist es fast, als würden wir miteinander reden.«
Wieso kam ihm diese Erinnerung jetzt? Angst und Unsicherheit schnürten ihm die Kehle zu. Er atmete heftig und stoßweise, um die Übelkeit und Ohnmacht zu besiegen.
Gegenüber fuhr ein Bus an die Haltestelle und kurz darauf war
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