24 kurze Albträume (German Edition)
verstümmelt, verbrannt in einer Ecke und warteten auf das Begräbnis im Mülleimer. Dabei schien sie nichts gegen Puppen zu haben, denn zu jeder Gelegenheit wünschte sie sich welche. Ich höre sie noch zu ihrer Mutter sagen: »Viele Puppen, Mama, sie müssen nicht schön sein, aber viele Puppen.«
Sie hatte ja auch einen ungewöhnlich hohen Verschleiß.
Bei mir hatte sie an diesem Tag »Puppenköpfen« gespielt. Ich habe mir nie viel Gedanken um die verschiedenen Arten von Puppen gemacht, aber als sie sie zu mir herüberbrachte, war es noch eine niedliche, rosige Babypuppe. Es ist sicher für Kinder nicht normal, ihre Puppen so zu behandeln, aber das Mädchen tat alles geschickt und mit sicherer Hand, was auf lange Übung schließen ließ. Ich beobachtete sie heimlich dabei, während ich tat, als ob ich läse:
Zunächst entkleidete sie die Puppe, legte die Kleider ordentlich zusammen und steckte sie in eine Tüte. Sie hatte sich einen kleinen Plastikkoffer mitgebracht, den sie jetzt öffnete. Darin befand sich ein buntes Sammelsurium von Folterwerkzeugen wie Scheren, Messer, Zange, Schraubenzieher, Feuerzeug und Ähnliches, alles klein und für die kindliche Hand wie geschaffen. Es ist keineswegs unmöglich für kleine Kinder, an so etwas zu gelangen, auch wenn Eltern das immer wieder gerne glauben.
Mit diesen Werkzeugen begann sie die Puppe zu bearbeiten. Es war eine Freude zu sehen, mit welcher Begeisterung und welch fast künstlerischem Geschick die Arbeit vonstatten ging. Die Füße zerquetschte sie langsam mit der Zange, ebenso wie die Unterschenkel, und es bereitete ihr scheinbar einen fast sinnlichen Genuss, sich vorzustellen, was für Qualen die Puppe dabei zu leiden hatte, denn sie redete auch mit ihr und ihre Stimme klang unglaublich zufrieden.
»Schrei nur. Was glaubst du, wer dich hört? Du kannst ja gar nicht schreien. Deine Lippen, deine Zunge sind aus Plastik, nur aus Plastik. Du bist mir ausgeliefert. Du bist ein Biest und das weißt du. Alle verleitest du dazu, dich niedlich zu finden, dich zu verhätscheln. Aber in mir hast du deinen Meister gefunden, ich habe dich besiegt. Schrei nur - ich hör dich schon und es macht mir Spaß.«
Dabei schnitt sie der Puppe nacheinander die Finger ab. Mit dem Schraubenzieher bohrte sie ihr Löcher in den Leib und machte dann die Puppe dafür verantwortlich, dass deren unsichtbares Blut den Teppich verschmutzte. Mir machte das nichts aus, es sind schon genug rote Flecken von umgestoßenen Weingläsern und Ähnlichem darin.
Später konnte ich einem besonders exzellenten Schauspiel beiwohnen. Dieses Mädchen war wahrlich eine Künstlerin. Mit dem Messer fuhr sie in gleitenden Bewegungen gemächlich hin und her und zersägte so langsam aber stetig den Hals der Puppe. Dabei aber hatte sie ihre andere Hand unter den Körper der Puppe gelegt und bewegte diese so geschickt, dass es wirkte, als winde sich die Puppe in tödlichen Krämpfen. Es war erstaunlich, faszinierend, bewundernswert. Das Gesicht des Mädchens verzog sich dabei immer mehr zu einer Grimasse, und sie flüsterte Sätze vor sich hin, von denen ich leider nur Bruchteile mitbekam.
»Ja, schrei nur, winde dich nur. Stärker! Lauter! Gib nicht auf, das ist langweilig ...«
Im gleichen Moment, wo der Kopf der Puppe zur Seite rollte, erschlaffte deren ganzer Körper. Erschöpft aber befriedigt zog das Mädchen seine Hände zurück, rieb sie am Teppich, um das Blut zu entfernen, nehme ich an. Aber die Arbeit war noch nicht beendet. Sie nahm sich den Kopf der Puppe vor, schor ihr die Haare, so dass eine seltsam abstrakte Frisur dabei zustande kam, rupfte ihr die Wimpern aus und verdrehte die Glaskugel des einen Auges, dass es wie blind wirkte. Kurz, sie entstellte die Puppe auf das
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