24 kurze Albträume (German Edition)
stoppte verwirrt, seine irren Augen ließen von der Tür ab und er blickte meinem Vater direkt in das Gesicht. Er lächelte diabolisch und begann, die Axt aus der zersplitterten Tür herauszuziehen. Dann sauste die Axt herab auf den paralysiert dastehenden Mann, mehrere wuchtige Schläge, die eigentlich Dick Halloranns massigen Körper hätten treffen sollen, trafen meinen Vater.
Als ich wieder zu mir kam, wusste ich es. Shining, das zweite Gesicht. Wir hatten es beide, wie Jack und Danny. Bis gerade eben war es nur Ahnung gewesen, jetzt Gewissheit. Es gibt viele Orte auf der Welt und nicht alle sind gut. Und hier ist einer von denen, die man lieber nicht besuchen sollte. Langsam richte ich mich auf. Das Bild der Litfaßsäule hat sich gewandelt. Kinowerbung nimmt heutzutage die gesamte Fläche ein, ringsum. In großen Lettern steht auf dem Plakat zu lesen:
»DER SCHOCKIERENDSTE FILM, DEN DU JEMALS SEHEN WIRST: EVIL DEAD.«
Die abgebildete Person lässt jede Körperspannung vermissen und blickt mit gesenktem Kopf in das vor ihr tobende Inferno von aus der Hölle regnendem Blut. Der befreite Dämon in der Gestalt einer Frau lässt von Mia ab, als er mich erblickt. »Ich will mich an deiner Seele laben!« dröhnt es mir entgegen. Das hätte doch eigentlich Mia gelten sollen! krächze ich, als der Teufel auf mich zuschreitet …
Miriam Schäfer
Zwillinge
Es begann in der Dämmerung. Die Schatten wurden länger, die Sonne bettete sich in einem karmesinroten Meer aus Wolken zur Ruhe, die Welt hüllte sich in die dunkle Decke der Nacht. Ich genoss das Schauspiel von meinem Schreibtisch aus, als ich erstmals das Bedürfnis verspürte, mich umzublicken. Nichts. Natürlich nicht.
Doch aus dem vagen Gefühl, beobachtet zu werden, wuchs eine nicht zu erklärende Gewissheit. Immer öfter blickte ich über die Schulter, wartete auf verräterische Schatten oder plötzliche Bewegungen. Aber ich entdeckte nichts dergleichen. Als ein kalter Hauch meinen Nacken streifte, sprang ich erschrocken auf und wirbelte herum. Doch es war niemand da.
Ich gab meine Arbeit auf und schlich vorsichtig durch die Wohnung. Schaute wie beiläufig hinter die Türen, in die Nische neben dem Bücherregal, unter mein Bett. Aber ich war allein. Alles sah aus wie immer. Die Kommode mit meiner Sammlung kleiner Handspiegel darauf - alle an ihrem Platz. Das Bett, zerwühlt, darüber mein Lieblingsbild mit den beiden Brüdern, die Hand in Hand auf eine in Nebelschwaden gehüllte Ruine zuschritten. Es hatte meiner Schwester Julie gehört, bevor sie verschwunden war. Ich widerstand dem Impuls, es zärtlich am Rahmen zu berühren.
Der Kasten der stummen Standuhr im Flur, die ich von meinem Vormieter übernommen hatte, war leer. Niemand versteckte sich in der Dusche, hinter der Garderobe oder unter der Spüle. Trotzdem waren die Härchen an meinen Armen hoch aufgerichtet. Ich spürte die stechenden Blicke deutlich in meinem Nacken. Hier war jemand. Oder etwas.
Als ich ein leises Lachen zu hören glaubte, erklärte ich mich für verrückt, den Tag für beendet und ging hastig zu Bett – nicht ohne meine Bettdecke bis zur Nasenspitze hochzuziehen und die Nachttischlampe brennen zu lassen.
Ich weiß nicht, wie lange ich nun schon so daliege und auf den Schlaf warte. Angestrengt lausche ich in die Stille, höre aber nur meinen Atem, der gedämpft durch die Bettdecke dringt. Mir ist, als hätten die Wände Augen. Ihre Blicke kriechen unter meine Decke, sie berühren mich, ohne dass ich sie hindern kann.
Das Licht der Nachttischlampe beginnt zu flackern. Dann erlischt es. Ich bin starr vor Angst. Die Schatten der sich draußen im Wind wiegenden Bäume gleiten lautlos über die Wände. Ich halte den Atem an und horche wieder. Sind das Schritte?
Langsam
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