Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
Vom Netzwerk:
zu dem nächst größe­ren Ort und hielt bald vor ei­ner Bäcke­rei, die hell er­leuch­tet war. Ich stieg von mei­nem Rad und be­trat den La­den. Ein klei­nes Glöck­chen kün­dig­te mei­nen Be­such an und bald dar­auf hör­te ich schon die schlur­fen­den Schrit­te der Bäckers­frau. Als ich sie sah, ge­fror mir das Blut in den Adern. Ir­gen­det­was stimm­te mit die­ser Frau nicht. Sie sah mich wütend und mit ver­quol­le­nen Au­gen an. Ihre un­ge­pfleg­te Dau­er­wel­len­fri­sur stand wild nach al­len Sei­ten ab, ihr Blick war kalt und geis­tes­ab­we­send. Kein Gruß kam von ih­ren schma­len, eng auf­ein­an­der ge­press­ten Lip­pen. Plötz­lich war ich froh, dass ich nicht hier ar­bei­ten muss­te und einen in­ter­essan­te­ren Job hat­te als die­se Frau. Ich war näm­lich Gra­fik­de­si­gne­rin, ar­bei­te­te in ei­nem schicken Büro und muss­te nicht sonn­tags in ei­nem klei­nen mie­fi­gen La­den ste­hen. Plötz­lich, ich weiß nicht ge­nau wie­so, hat­te ich das Ge­fühl, dass die­se Frau mich durch­schaut hat­te. Ich schäm­te mich für mei­ne Ge­dan­ken, eine Gän­se­haut lief mir über den Rücken. Doch ich fass­te mich schnell wie­der und bes­tell­te sie­ben Bröt­chen. »2 Euro 10!« knurr­te sie überaus un­freund­lich und pack­te die Bröt­chen in eine Tüte. Schnell reich­te ich ihr einen fünf Euro Schein. Kaum hat­te ich das Wech­sel­geld in den Hän­den, lief ich aus dem La­den und ra­del­te nach Hau­se. »Wer kann schon Ge­dan­ken le­sen!«, sag­te ich mir im Stil­len und ver­such­te mich zu be­ru­hi­gen.  
     
    Ei­ni­ge Wo­chen wa­ren in­zwi­schen ver­gan­gen. Ich hat­te mei­ne Woh­nung re­no­viert und den Vor­fall im Bäcker­la­den schon fast ver­drängt, da be­kam ich ir­gend­wann im März ein­mal wie­der Lust auf Sonn­tags­bröt­chen. In­zwi­schen war es schon et­was wär­mer und fast fröh­lich ra­del­te ich los. Es dau­er­te auch nicht lan­ge, da stand ich wie­der vor der Bäcke­rei.  
    »Viel­leicht wird ja heu­te al­les bes­ser!«, ver­such­te ich mir ein­zu­re­den und be­trat fröh­lich den La­den. Wie­der er­tön­te die klei­ne Glocke und wie­der er­schi­en die un­heim­li­che Frau mit der Dau­er­wel­le und dem miss­mu­ti­gen Ge­sicht. Sie schi­en mir fast noch un­freund­li­cher zu sein als beim letzten Mal. Ich be­kam eine Gän­se­haut und bes­tell­te mit zitt­ri­ger Stim­me mei­ne sie­ben Bröt­chen. Während die Bäckers­frau die Bröt­chen­tüte pack­te, wühl­te ich in mei­nem Por­te­mon­naie her­um und ver­such­te, das Klein­geld zu­sam­men­zuzählen. Doch ich hat­te nicht ge­nü­gend Mün­zen da­bei. Wie konn­te das mög­lich sein? Ich be­saß nur ei­ni­ge Cent und einen Fünf­zig-Euro-Schein!  »2 Euro 10!«, hör­te ich die alte Frau sa­gen und schau­te in zwei  stahl­graue Au­gen, de­ren Blicke mich förm­lich durch­bohr­ten. Ner­vös sah ich mich um. Ka­men nicht auch an­de­re Leu­te hier in die­sen La­den? Wie­so lie­fen auf der Straße kei­ne Passan­ten her­um? Ich zit­ter­te und hüs­tel­te. Schließ­lich muss­te ich es ihr sa­gen. »Ich habe nur einen fünf­zig Euro Schein!« Mei­ne Stim­me klang un­ge­wohnt hei­ser. »Kann nicht wech­seln!«, raun­te die Frau. »Muss ich an­schrei­ben. Name und An­schrift?« Ich nann­te ihr mei­nen Na­men und mei­ne Adres­se und hat­te das merk­wür­di­ge Ge­fühl, ihr da­mit mei­ne See­le ver­kauft zu ha­ben. Dann stürm­te ich aus dem La­den.
     
    Eine Wo­che später ra­del­te ich zum drit­ten Mal in den klei­nen Ort. Dies­mal war ich gut vor­be­rei­tet. Ich hat­te das Geld in einen be­schrif­te­ten Um­schlag ein­ge­tütet und zu­ge­klebt, wie da­mals in der Grund­schu­le. Nach­dem ich mein Fahr­rad ab­ge­s­tellt hat­te, öff­ne­te ich mu­tig die La­den­tür. Das Glöck­chen bim­mel­te. Doch die­ses Mal er­schi­en nicht die ver­härm­te Bäckers­frau, son­dern ein klei­nes rot­haa­ri­ges Mäd­chen von un­ge­fähr sie­ben Jah­ren. Ich war über­glück­lich. »Hal­lo!«, spru­del­te es aus mir her­aus. »Kannst du die­sen Um­schlag dei­ner Omi ge­ben? Das ist das Geld, was ich ihr noch schul­de!« Da fing das klei­ne Mäd­chen an zu heu­len. »Mei­ne Omi ist letzte Nacht ge­stor­ben.« Ich

Weitere Kostenlose Bücher