24 kurze Albträume (German Edition)
alt.« »Ich bin doch erst sechs Jahre alt «, äffte Johnny sie nach. »Los, Sophie! Komm! Wir tanzen! Lass uns ein bisschen Spaß haben!« Mit einem Male fürchtete sich Sophie vor ihrem großen Freund. »Bring mich nach Hause. Bitte. Meine Mutter wird sich Sorgen machen.« »Ein kleines Tänzchen nur. Und dann bring ich dich zu Mami. Versprochen.« Schwankend kam Johnny auf sie zu. Sie konnte sein Gesicht nicht mehr deutlich erkennen, und er machte ihr Angst. Aber Johnny war doch ihr Freund.
Es war schon fast ganz dunkel geworden. Sophie hörte ein Auto auf der Straße vorbeifahren. Die Scheinwerfer schienen hell durch das große Fenster und warfen Johnnys Schatten an die Wand. Und da sah sie es! Sein Schatten. Sein Schatten war falsch. Das da war nicht Johnny! Es sah aus wie Johnny, aber er war es nicht. » Na los, Sophie! Komm schon! Nur ein kleines Tänzchen.« Das Wesen hatte die Arme ausgestreckt und kam ihr lachend immer näher. Sophie nahm allen Mut zusammen und huschte an Johnny vorbei aus dem Zimmer. Es war dunkel, und er war betrunken. Vielleicht konnte sie sich vor ihm verstecken. Sophie schlich zur Küche. » Hey Sophie! Wo bist du? Komm schon! War doch alles nur Spaß. Komm! Ich bringe dich nach Hause.« Sophie kroch in das Schränkchen unter der alten Spüle. Sie machte sich ganz klein und zog die Schranktür von innen zu. » Sophie! Los! Komm raus! Zeig dich! Ich bringe dich nach Hause.« Johnnys Stimme klang jetzt rau und ungeduldig. Nein! Sie würde ganz bestimmt nicht aus ihrem Versteck kommen! Durch das Schlüsselloch konnte sie Johnny in der Küchentür stehen sehen. Wieder kam ein Auto und wieder warfen die Scheinwerfer Johnnys Schatten an die Wand. Sie dachte an die Geschichte vom Wolf und den sieben Geißlein. Ganz bestimmt würde sie nicht aus ihrem Versteck kommen! Es war ihr gelungen, das kleine Schränkchen von innen zu verriegeln. Johnny versuchte, es zu öffnen. Sophie hielt den Atem an. Ihr wurde fast schlecht vor Angst. Dann entfernten sich seine Schritte. Sie hörte ihn durch das Haus rufen. Dass sie nicht albern sein solle und endlich zu ihm kommen solle, weil sie doch alle nach Hause gehen wollten. Aber Sophie blieb in ihrem Versteck. Nur das siebte Geißlein im Uhrenkasten hatte überlebt. Sie würde nicht heraus kommen! Sie hatte seinen Schatten gesehen!
Dick war bestimmt schon auf dem Heimweg, und zu Hause würde er alles erzählen, und dann würde ihre Mama kommen und sie holen. So lange würde sie in dem Schränkchen bleiben wie das kleine Geißlein im Uhrenkasten.
Schritte weckten sie. Sie hörte die Stimme ihrer Mutter, die ihren Namen rief. »Hier bin ich!« antwortete Sophie der Stimme »Hier! Im Uhrenkasten!« Sie hatte alles richtig gemacht. Sie war in ihrem Versteck geblieben. Und sie hatte Recht gehabt. Dick hatte zuhause alles erzählt. Dann waren sie gekommen, hatten die Haustür aufgebrochen und sie gefunden. »Ich habe mich gefürchtet. Einfach so. Deshalb habe ich mich versteckt«, erzählte Sophie ihrer Mutter. Einige Tage später kam eine Polizistin. Sie fragte nach Johnny. Er sei doch mit ihr in dem Haus gewesen. Ob sie sich erinnern könne, wann sie ihn zuletzt gesehen habe. Und Sophie erzählte, dass Johnny in die Küche gegangen war, um nach etwas Trinkbarem zu suchen. Und dass er nicht zurückgekommen sei. Sie erzählte nichts von dem bösen Schatten. Johnny war ihr Freund. Sie würde ihn nicht verraten. Und eigentlich, da war Sophie sich ganz sicher, war es nicht Johnny, der aus der Küche zurückgekommen war und ihr solche Angst gemacht hatte.
Karin Jakob
Zum Ausklang
Sie haben nun 24 Alpträume erlebt. 24 Mal haben Sie sich mit den Ängsten der Menschheit auseinandergesetzt, aber eigentlich war es gar nicht so schlimm, oder? Schließlich ist das hier nur ein Buch. Ein Haufen Unfug. Flüche, dämonische Schatten, lebendig
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