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24 Stunden

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Titel: 24 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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sagte Will und überprüfte, ob auf dem Bildschirm das anatomische Diagramm einer Hand zu sehen war, »wirkt das Relaxans in erster Linie an den myoneuralen Verbindungen, indem der normale Fluss der Impulse vom Gehirn zur Skelettmuskulatur unterbrochen wird...«
    Will hielt seinen Vortrag, ohne nachdenken zu müssen. Er hatte dank Karen und Abby, die ihm immer wieder zugehört hatten, alles sehr gut einstudiert. Die in Schwarz gekleidete Frau am vordersten Tisch starrte ihn noch immer an. Sie lächelte nicht richtig, aber ihre Mimik verriet, dass ihr Interesse nicht nur der Medikamententherapie galt. Will versuchte, mit anderen Zuhörern Augenkontakt herzustellen, doch nach wenigen Sekunden kehrte sein Blick zu der jungen Frau zurück. Warum auch nicht? Für einen Redner war es ganz normal, jemanden im Publikum auszuwählen, den er direkt ansprach. Das beruhigte die Nerven und verlieh dem Ton eine persönliche Note. Heute Abend sprach er eben zu der Frau in Schwarz.
    Immer, wenn er sich den Zuschauern wieder zuwandte, nachdem er auf der Leinwand auf etwas hingewiesen hatte, trafen sich ihre Augen. Sie hatte große Augen, die niemals zu blinzeln schienen, und ihre blonde Mähne fiel wie bei Lauren Bacall in Haben und Nichthaben auf ihre Schultern. Will hatte sich nie etwas aus Blondinen gemacht, doch bei dieser Frau war das anders. Was ihm auffiel, obwohl der Bildschirm nur einen trüben Lichtschein verbreitete, waren ihre perfekten Maße. Sein Blick wanderte von ihren langen Beinen zu ihren weiblich gerundeten Hüften und der schmalen Taille. Ihre Brüste waren nicht zu groß, aber fast zu perfekt. Das trägerlose schwarze Kleid entblößte gerade, kräftige Schultern. Sie hatte einen langen, anmutigen Nacken, ein wohl geformtes Kinn und volle Lippen. Ihre Augen fesselten ihn jedoch besonders. Auch als er sie von Kopf bis Fuß musterte, war ihr Blick permanent auf sein Gesicht geheftet.
    Will schaute wieder auf den Bildschirm, um die zeitliche Übereinstimmung seines Vertrags mit dem Film zu überprüfen, und als er sich wieder zurückdrehte, veränderte sie gerade ihre Stellung. Mit der trägen Anmut einer Löwin, die ihre Flanken streckte, schlug sie ein Bein übers andere. Aufgrund des kurzen Cocktailkleides konnte er sogar vom Podium aus einen schnellen, aber guten Blick zwischen ihre Beine werfen. Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Sie war nicht gerade Sharon Stone aus Basic Instinct - diese Frau trug einen Slip -, doch sie hatte dafür gesorgt, dass er bis auf den Markennamen auf dem Seidenstoff alles erkennen konnte. Zwischen diesem dunklen Slip und den weißen Baumwollschlüpfern, die Karen in den letzten Jahren trug, lagen Welten. Als Will auf sein Skript schaute, bemerkte er, dass sein Kommentar nicht mit den Bildern auf dem Hitachi übereinstimmte. Er überspielte die kleine Panne und passte seinen Vortrag wieder den Videoaufnahmen an.
    Auf dem Gesicht der Frau war der Hauch eines Lächelns zu erkennen.
    Huey Cotton stand auf der Veranda der Hütte und schaute in den Wald, auf den sich allmählich die Dunkelheit senkte. Die Sonne ging langsam unter. Dünne, grüngelbe Lichtstrahlen glitten durch die Zweige wie phosphoreszierende Funken eines unsichtbaren Feuers.
    »Leuchtkäfer«, sagte er vergnügt. »Ich frage mich, ob es in der Küche einen Steinkrug gibt.«
    Als er die kleinen Lichter in der Dunkelheit flimmern sah, drang aus der Hütte ein leises Stöhnen. Sofort erstarrte sein Lächeln, und Angst stieg in ihm auf. Er atmete tief ein, drehte sich langsam um und schaute zögernd auf die Tür.
    »Ich würde mir wünschen, du wärest hier, Mama«, sagte er leise.
    Noch einmal drang das Stöhnen an sein Ohr.
    Er öffnete die Außentür mit dem Fliegengitter, stieß die Eingangstür auf und betrat die Hütte.
    Hickey saß an Karens Küchentisch, aß ein großes Muffaletta-Sandwich und trank Eistee.
    »Das schmeckt verdammt gut«, sagte er und wischte sich über den Mund. »Das Dressing ist perfekt. Erinnert mich an New Orleans. An diesen Laden bei uns im Viertel.«
    »Sind Sie aus New Orleans?«, fragte Karen. Sie stand auf dem kleinen Podest gegenüber vom Kühlschrank und packte Spritzen und Insulin in eine kleine Kühltasche.
    »Spreche ich wie jemand aus New Orleans?«
    »Eigentlich nicht.« Karen konnte Hickey s Akzent nicht einordnen. Im Grunde sprach er wie die Leute in Mississippi, obwohl noch eine andere Nuance durchschimmerte. Er hatte sicher einige Zeit woanders gelebt. Vielleicht

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