24 weihnachtliche Geschichten - ein Adventskalenderbuch
Einen winzig kleinen. Einen Schneezwerg. Insgesamt ist er höchstens so groß wie eine Kaffeetasse.
„Nun mach schon!“
Lustlos fange ich an, einen Schneeball zu formen.
Kiki baut schon den zweiten Schneezwerg. „Und jetzt komm mit.“ Behutsam nimmt sie ihre beiden Schneezwerge und steht auf. Mein Mini-Schneemann sieht mehr aus wie eine Schneeratte, aber das ist mir egal. Ich nehme ihn vorsichtig in beide Hände und laufe hinter Kiki her. Sie marschiert zum Hintereingang des Kiosks und tritt gegen die Tür. Erschrocken bleibe ich stehen. Was ist denn in Kiki gefahren? Ich höre Frau Giesewein rufen, dann wird die Tür geöffnet.
Kiki stapft in den Verkaufsraum. „Mach schon, Paul, komm rein.“
Sie öffnet eine große weiße Schranktür und ich sage nur: „Oh!“
Der Schrank ist kein normaler Schrank, sondern ein Tiefkühlschrank. So einer, in dem man eigentlich Tiefkühlpizza aufhebt. Oder eben Vanilleeis. Aber jetzt sind in dem Schranknur lauter Schneemänner zu sehen. Schneezwerge, genauer gesagt. Die Regale sind voll von ihnen. Es müssen an die hundert sein. Oder noch mehr. Behutsam stellt Kiki ihre neuen Schneezwerge zu den anderen ins Regal. Dann tritt sie zur Seite und macht mir Platz.
„Was soll das werden?“, flüstere ich ehrfürchtig und stelle meine Schneeratte dazu.
„Das wird unser Weihnachtsgeschenk für Mama“, erklärt Kiki und strahlt. „An Weihnachten ist der ganze Schnee doch bestimmt schon längst geschmolzen. Und wenn Mama dann nach Hause kommt, hat sie keinen einzigen Schneemann gesehen. Aber hier“, Kiki breitet ihre Arme aus, „warten sie alle auf Mama. Eine ganze große Schneemannfamilie. Wir bauen ihr für jeden Tag im neuen Jahr einen.“
„Für jeden Tag? Aber das sind 365!“
„Na und?“, gibt Kiki ungerührt zurück. „87 habe ich schon. Und jetzt kannst du mir ja helfen. Da unten“, sie bückt sich und zerrt etwas aus der Ecke, das sie mir in die Arme drückt, „ist noch genug Platz.“
Ich starre auf die Schachteln in meinem Arm. Pizza Hawaii. Mit Ananas. Eigentlich mag ich Ananas ganz gerne, überlege ich. Und die Adventszeit mag ich auch. Und Weihnachten sowieso.
12. Dezember
Julia Breitenöder
Piratenadvent
„Was ist los, Piet Seemannsgarn?“,
fragt Käpt’n Finn.
Schnell wischt Piet die Tränen weg, die ihm einfach aus den Augen gekullert sind. Piraten heulen nicht, das hat er als Erstes hier auf dem Schiff gelernt. „Nichts, Pa… äh, Käpt’n, alles in Ordnung.“ Er schnieft. „Oder … meinst du, wir könnten es vielleicht etwas weihnachtlicher haben? Nur ein bisschen?“ Am liebsten würde er die Hand seines Vaters nehmen, aber das mag Käpt’n Finn nicht, wenn er im Dienst ist.
„Ach, Piet“, seufzt er jetzt. „Du weißt doch, dass die Männer hier nicht Weihnachten feiern. Ich war schon froh, dass sie dich nicht wegen des Adventskalenders ausgelacht haben.“
„Aber nur, weil du ihnen auch einen Schnapsfläschchen-Kalender gemacht hast“, sagt Piet. „Ob jemand etwas dagegen hat, wenn ich ein wenig weihnachtlich dekoriere? Ach, und Plätzchen backen, das wär schön …“ Piet kneift die Augen zu, weil schon wieder die doofen Tränen kommen. Er denkt an Mamas kleines Häuschen im Schnee. Rauch kräuselt sich aus dem Kamin, und es riecht so wunderbar nach Tannennadeln, Kerzen und frischen Plätzchen. Ganz kurz drückt Käpt’n Finn seinem Sohn die Hand. „Mein Junge … Du wolltest doch ein Jahr mit an Bord. Gefällt es dir denn gar nicht?“
„Doch, es ist toll!“ Piet reißt die Augen wieder auf. Die Sonne strahlt aufs Wasser, und warmer Wind fährt durch seine Haare. „Alles prima, Papa … äh, Käpt’n! Nur Weihnachten … das fehlt mir schon.“
Käpt’n Finn guckt Piet lange an, dann nickt er. „Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Dann dreht er sich um und stapft davon.
Piet macht die Augen wieder zu. Er träumt eine Weile vom Schlittenberg hinterm Haus.
„He, Junge!“
Piet öffnet die Augen, der Schnee verschwindet, und dieSonne der Südsee ist wieder da. „Hein! Musst du mich so erschrecken?“, fährt er den Smutje an.
Der grinst und dreht seinen goldenen Ohrring. „’tschuldigung. Ich hab eine Nachricht vom Käpt’n.“
Er rückt näher. Fast versteht Piet ihn nicht vor lauter Wellenrauschen und Möwenkreischen, aber die Worte „Butter“ und „backen“ erreichen sein Ohr. Er springt auf und drückt dem Smutje einen dicken Kuss auf den kahlen Schädel.
In der Kombüse starrt Piet auf
Weitere Kostenlose Bücher