241 - Splitterzeit
Crow.
Vor ihnen ragte der Leiterstummel auf wie die Zielvorrichtung einer primitiven Waffe. Matt starrte wie hypnotisiert geradeaus, auf die imaginäre Verlängerung. Der Fahrtwind verwirbelte seine Haare und trieb ihm Tränen in die Augen, die er gerade so weit zusammenkniff, dass er noch etwas sehen konnte.
Zwanzig Meter… zehn…
Wenn der Vektor stimmte, und er musste stimmen, würden sie in weniger als drei Sekunden in Kontakt mit der Anomalie treten.
Die drei Sekunden verstrichen.
Und Matt baute die Bruchlandung seines Lebens.
***
Im Moment des Aufpralls wurde die Zeitblase sichtbar.
Wie ein riesiges Juwel schwebte sie in der Luft, und ihre Oberfläche setzte sich aus Myriaden geschliffener Facetten zusammen, in denen sich das heranrasende Flugzeug spiegelte…
Matt wunderte sich, dass er sich selbst und Crow in den winzigen Kristallen erkannte, dass er überhaupt irgendetwas wahrnahm in jener Mikrosekunde, in der Whiteheads Konstruktion von Urgewalten zerrissen wurde.
Aber es war kein normaler Zusammenstoß.
Nichts daran war normal oder auch nur begreiflich.
Da war die Sphäre – und da war das Vehikel mit seinen beiden Insassen. Und die Sphäre erwies sich als unüberwindliche Grenze für das Konstrukt aus Whiteheads Erfinderwerkstatt. Oder vielmehr… für die Materie dieser Zeitepoche!
In einem ohrenbetäubenden Knall zersplitterte die Karosserie des Fliegers, wurde der Propeller zerfetzt, der Motorblock aus dem Bug gedroschen. Das Gehäuse zerlegte sich in unzählige Fragmente. Buchstäblich alles wurde von der kugelförmigen Barriere zerschmettert, und das Einzige, was der brutalen Gewalt nicht zum Opfer fiel, waren die beiden von der Dynamik weiter getriebenen Gestalten, die nicht gegen, sondern in die Anomalie gestoßen wurden.
Es war das schrecklichste und zugleich erlösendste Gefühl, das Matt je durchlebt hatte, vergleichbar nur mit dem Eintritt in den Zeitstrahl, der vom Mars zur Erde zielte.
Vor ihm öffnete sich ein Tunnel, der das ganze Universum zu durchlaufen schien.
Vielleicht war das der Tod.
Vielleicht aber auch…
Matt taumelte nach vorne. Die Umgebung wechselte jäh. Er konnte nicht rechtzeitig abbremsen, geriet ins Straucheln und stürzte zu Boden.
Instinktiv versuchte er sich abzufangen. Seine Hände berührten Material, das ihm vertraut war und das es 1906 in San Francisco nicht gegeben hatte.
Die letzten Zweifel darüber, wo er sich befand, schwanden, als er aufblickte und nach Crow suchte, der die Passage mit ihm durchgemacht haben musste.
Doch statt dem General fanden seine Augen eine Gestalt, die mit maskenhaftem Gesicht dastand und ihn über den Lauf jener Waffe hinweg anstarrte, die einmal Crow gehört hatte.
Lityi hielt den Driller, als wüsste sie damit umzugehen.
Und ihre Stimme war die von Rantt’ek, dem Koordinator, der ihnen unmissverständlich klar machte, dass sich ihre Grundsituation mit ihrem Abstecher in die Vergangenheit nicht im Mindesten geändert hatte. Er sah immer noch die potenziellen Gesellschafter in ihnen.
»Ich habe gehofft, dass ihr den Weg zurück findet. Ihr werdet viel zu berichten haben – noch mehr als zuvor. Ich verzehre mich nach euren Erlebnissen…«
Matt sah sich hektisch um, suchte nach den Waffen, die er im Flugzeug verstaut hatte. Doch wie kein einziges Trümmerteil der Maschine, so war auch nichts von dem, was sich darin befunden hatte, in der Station angelangt. Offenbar hatten Crow und er nur genau das wieder mit zurück bringen können, was sie bei sich trugen, als sie in die Vergangenheit stürzten. Kein Smith & Wesson, kein einziger Dynamitstab hatte es hierher geschafft.
Und mit den bloßen Fäusten war in der Situation, auf die sie getroffen waren, nicht viel auszurichten.
Lityi hatte kaum ausgesprochen, als etwas heran züngelte, das Matt liebend gern für alle Zeiten hinter sich gelassen hätte. Aber es gehörte zur unverrückbaren Realität hier.
Einer von Rantt’eks Tentakelsträngen!
Matt rollte sich reflexartig zur Seite, und der dunkle Tentakel schoss an ihm vorbei. Nur ein, zwei Meter weiter, wo er mit einem schmatzenden Geräusch auf etwas traf.
Matt wandte den Kopf und sah Crow, der sich gerade hochzustemmen versuchte. Sein Kopf war gebeugt, der Nacken lag bloß…
»Vor-«
Matt beendete seinen Warnruf nicht. Er kam zu spät. Das Ende des Tentakels hatte sich bereits in Crows Genick gebohrt, und die Bewegungen des Generals erlahmten schlagartig.
Matt kam auf die Beine.
Von dort, wo der
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