2439 - Menschen fÃŒr Stardust
hatte sich nie jemand gestört. Es war ein schöner alter Brauch, den viele ernst nahmen. Dass Indaara sich daran nicht gebunden fühlte, schmerzte.
Martes Finger glitten über die Lichttastatur. Eine neue Verbindung entstand.
„Maciej, bitte vertritt mich hier für eine Stunde oder zwei. Ich muss dringend weg."
Was war schon dringend in einem halb fertigen Paradies? Sie erkannte selbst, wie ungeschickt ihre Feststellung klang.
„Was ist los, Marte?"
„Ich erklär’s dir später, sobald ich zurück bin. Okay?"
„Bin schon fast bei dir. Ich fliege."
Das Gelb auf den Hügeln war verschwunden. Marte biss die Zähne zusammen. Ein Gefühl sagte ihr, dass ihre Tochter Hilfe brauchte, und sie gab viel auf Gefühle.
Endlich kam Maciej. „Sag mir wenigstens, was ..."
„Noch ist nichts geschehen." Marte zwängte sich an der Nachbarin vorbei.
Sie hatten zwei wunderschöne Häuser nebeneinander, wenn auch manches daran provisorisch anmutete.
Das Antigravfeld trug sie über die dreißig Meter Höhenunterschied sicher zu Boden. Vor Tagen war sie auf die Klettersprossen angewiesen gewesen, jetzt war ein Großteil der Antigravprojektoren mit Hyperkristallsplittern bestückt, eine unschätzbare Erleichterung.
Im Laufschritt eilte Marte am Rand neu entstehender Verbindungsstraßen entlang. Sie wich einem Robotertrupp aus, sprang über Versorgungsgräben hinweg und erreichte endlich schwer atmend die Hügel. Einige hundert Meter weiter, hinter den Büschelbäumen, begannen die weißen Dünen, und im Anschluss glitzerte das Meer, als bestünde es aus Myriaden goldener Lichter.
Von Indaara keine Spur. Allerdings konnte sie sich nur nach rechts gewandt haben, dorthin, wo der Strand schmaler und felsig wurde. Andernfalls hätte Marte das leuchtende Gelb nicht so schnell aus den Augen verloren.
Sie lief weiter. Was immer in ihrer Tochter vorging, es wurde Zeit, dass sie offen darüber redeten.
Endlich, nachdem sie mindestens zwanzig Minuten lang im Laufschritt den Strang entlanggeeilt war und schon mit dem Gedanken spielte, unverrichteter Dinge umzukehren, sah sie weit vor sich einen fahlen gelben Fleck.
Marte wurde langsamer, nahm sich Zeit, wieder zu Atem zu kommen.
Flache Felsen reichten gut zwanzig Meter weit ins Wasser. Reglos saß Indaara am äußersten Ende und schaute aufs Meer hinaus.
Marte lief wieder schneller. Ihre Tochter wurde nicht einmal aufmerksam, als sie die Klippen erreichte und sich nach oben schwang.
Indaara saß reglos da. Sie hatte sich leicht zurückgelehnt und beide Hände seitlich auf dem rauen Felsen abgestützt.
Ihre Beine baumelten im Wasser, die sanft heranrollenden Wellen gischteten immer wieder bis zu ihren Knien hinauf.
Auf dem Schoß hatte Indaara einen größeren Beutel liegen. Werbematerial von Terrania-Robotik-Retrodesigns. Jedes Kind kannte die holografisch animierten Aufdrucke, die einen Uralt-Roboter mit kantigem Schädel und den in alle Richtungen drehbaren Gelenken zeigten. Die goldene Farbe des Roboters harmonierte mit den grellbunten Mineralablagerungen des Canyons Hebes Chasma.
Perfektion und Schönheit müssen kein Widerspruch sein. Mars und TRR sichern die Zukunft des Solsystems. Marte kannte den Werbeaufdruck auswendig. Etwas Banaleres hatte sie selten gehört. Aber vielleicht war auch das Retrodesign. Sie kannte jedenfalls niemanden, der nicht diese Beutel gehabt hätte.
Ein kleiner Stein sprang unter ihrem Absatz davon und klatschte ins Wasser.
Indaara zuckte zusammen wie jemand, der sich bei etwas Verbotenem ertappt fühlte. Ruckartig fuhr sie herum, und ihre Augen weiteten sich in ungläubigem Erstaunen. Zugleich griff sie mit der Linken nach dem Beutel, ihre Finger verkrallten sich förmlich darin.
„Du ...? – Spionierst du mir nach?"
„Ich frage mich, ob es dir gut geht."
„Ja." Indaara wandte sich wieder um und starrte erneut aufs Meer hinaus.
„Du hast Heimweh?", vermutete Marte.
Ihre Tochter schwieg.
„Bleib weg!", stieß sie hart hervor, als Marte sich neben sie setzen wollte.
„Nicht!"
„Was ist los mit dir, Kind?" Sie sah, dass Indaara den Beutel nun an sich presste. „Hast du da etwas Besonderes?"
„Du verscheuchst die Fische, Marte."
In dem Moment bemerkte sie die Bewegung. Vielleicht zehn Meter weiter draußen zog etwas Großes, Silbernes dicht unter der Wasseroberfläche dahin.
Indaara hatte es ebenfalls bemerkt. Sie versteifte sich, beugte sich langsam nach vorne. Dumpf glucksend klatschte das Wasser gegen den Fels.
Zwei
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