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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Tau benetzte sein Gesicht, seine Haare und die Decke, die er über sich gelegt hatte. Ein Geräusch hatte ihn geweckt. Er spitzte die Ohren. Es war nichts mehr zu hören. Er stand auf und warf Holz in die schwelende Glut. Sofort loderten Flammen auf. Falls es ein Tier gewesen war, würde der Feuerschein es vertreiben oder zumindest auf Abstand halten.
    Aldous grunzte und erwachte ebenfalls. Winda hob den Kopf und glotzte ins Feuer.
    »Was ist los?«, krächzte der Alte.
    »Wir sind nicht mehr alleine…«, flüsterte Rulfan. Der Säbel in seiner Hand wog leicht und gab ihm ein gutes Gefühl.
    »Ein Tier?«, wollte Aldous wissen, der sich stöhnend erhob und auf die Knie hockte. Er wühlte in seinem Tragebeutel und brachte ein langes Messer zum Vorschein.
    Rulfan hätte viel darum gegeben, wäre Chira hier gewesen. Die Valvona wirkte träge und wenig hilfreich. Soeben klappte sie auseinander und sträubte das Gefieder. Sie stelzte zu einem Busch und erleichterte sich. Warum, bei Wudan, hatte er Chira eigentlich im Dorf zurückgelassen?
    »Tut mir leid…«, wisperte Aldous. »Ich muss eingeschlafen sein.«
    »Warum hast du mich nicht geweckt? Ich hätte die Wache übernommen«, zischte Rulfan ungehaltener als ihm lieb war.
    Der Alte verzog das Gesicht. Es tat Rulfan leid, so harsch gewesen zu sein. Aldous war nicht mehr jung und der letzte Tag war anstrengend gewesen.
    Rulfan schlich gebückt von den Steinen weg, in deren Schatten sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Alle seine Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt. Der Instinkt des Barbaren kehrte umgehend zurück. Rulfan spürte, wie sich seine Nerven regelrecht entzündeten. Seine Empfindungen vibrierten, seine Wahrnehmungsgabe loderte hell. Entspannt, aber jederzeit bereit, lauschte er in die Dämmerung. Nein, seiner ersten Vermutung, ein Tier habe sie geweckt, wollte er nicht mehr zustimmen. Er erinnerte sich schwach, eine oder mehrere Stimmen vernommen zu haben. Waren Nachtwanderer über das Lager gestolpert und, um die Schlafenden nicht zu stören, weiter gezogen?
    Hinter Rulfan züngelten Flammen hoch. Aldous warf weitere trockene Äste in die Flammen. Das war keine schlechte Idee. Sich in der Dunkelheit zu verstecken machte eh keinen Sinn mehr. Doch das Feuerholz knackte derart laut, dass Rulfan seine Lauschaktion abbrechen musste. Am Firmament rötete sich der Himmel. Der Morgen brach an.
    »Hier ist niemand außer uns«, sagte Aldous schließlich. »Entweder wir schlafen noch ein oder zwei Stunden, oder wir gönnen uns ein gutes Frühstück und wandern weiter. Was ist dir lieber?«
    Rulfan befand, dass Aldous Recht hatte. Den Säbel noch immer gezogen, trat er an das Feuer heran. »Vielleicht war es nur ein Alptraum«, murmelte Rulfan. »Davon hatte ich in den letzten Tagen einige. Wer weiß…« Er zog die Schultern hoch und grinste.
    »Frühstück oder Schlafen?«
    »Frühstück!«, wählte Rulfan. Sie aßen, was Lay ihnen eingepackt hatte. Der Vorrat würde noch zwei oder drei Tage ausreichen, dann würden sie jagen müssen.
    Warum gehen wir eigentlich zu Fuß? Mit einem Reittier wären wir viel schneller ans Ziel gekommen. Und noch mal: Warum habe ich Chira im Dorf zurückgelassen?
    Aldous beugte sich über das Feuer und heizte einen winzigen Kessel an. Er schüttete etwas Cannuspulver hinein.
    »Ein ordentlicher Tee wäre mir lieber…«, brummte Rulfan.
    »Nichts geht über Cannus, mein Freund. Warum, glaubst du, bist du so schnell gesund geworden? Meinst du wirklich, der Sturz hätte dir keine Wunden beigebracht? Keine Prellungen und Stauchungen?«
    Rulfan legte fragend den Kopf schief. Winda schnaufte und schlief weiter. »Ich fühle mich absolut unversehrt.«
    »Ich habe deine Verletzungen geheilt, mein Freund. Du scheinst zu vergessen, dass du es mit einem Schamanen und Gelehrten zu tun hast, einem Heiler. Niemand kennt mehr Rituale und Natur-Arzneien als ich. Drei Jahre wirkte ich als Mobatassa, danach stieg ich auf zum Meister der Ekstase. Ich lernte das Verhältnis zwischen der Menschenwelt, der Welt der Tiere, Pflanzen, Steine, der Erde und der Welt der Geister zu ordnen.« Er füllte Rulfans Becher mit heißem Cannustee. »Also glaub mir und trink! Der Tee wird dich stärken…«
    Rulfan pustete in die Flüssigkeit und nippte mehrfach. »Ja, es tut gut.« Schon einmal hatte er festgestellt, dass der Geschmack sich änderte. Mal schmeckte das Cannuspulver süß und fruchtig, dann wieder bitter oder herb. Derzeit befand sich der Geschmack

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