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244 - Der dunkle Traum

244 - Der dunkle Traum

Titel: 244 - Der dunkle Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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acht Männer waren ganz in Leder gekleidet, ihre Füße steckten in Fellstiefeln. Sie hatten nackte Gesichter, dafür umso längere Haare, die mit Tierfett glatt nach hinten gestrichen waren. Ihre Haut war dunkelbraun gebrannt. Ihre Augenhöhlen waren schwarz umzeichnet, was ihnen ein krankes, hohläugiges Aussehen verlieh. In den Ohren steckten Kreolen, ähnlich denen, die Aldous trug, nur dass ihre mit Stacheln besetzt waren.
    Rulfan beschloss, sich über die Herkunft der Kannibalen erst mal keine weiteren Gedanken zu machen. Alles in allem wirkten sie zwar wild und bedrohlich, aber nicht unbändiger als viele andere Barbaren auch. Was sie gefährlich machte, war ihre Kraft. Sie waren unglaublich muskulös, wie gemacht für den Kampf. Jeder von ihnen trug einen Schlagring an der Hand, gespickt mit fingerlangen, säbelartigen Klingen.
    »Warum habt ihr so lange gewartet?«, fragte Aldous mit ruhiger Stimme. »Warum habt ihr uns nicht schon heute Morgen getötet?«
    Die Männer blickten sich verdutzt an. Einer von ihnen lachte donnernd. Er hatte spitz zugeschliffene schwarze Zähne mit einigen Lücken. Um den Hals trug er eine Kette aus verrosteten technischen Artefakten. »Wir töten erst nach Sonnenaufgang, darum hattet ihr noch eine Galgenfrist. Aber jetzt wird gespeist, ihr Würmer!«
    Die Legenden stimmen also, durchfuhr es Rulfan. Er rechnete ihre Chancen aus – was ihn nicht glücklicher machte. Aldous war keine große Hilfe. Winda stand in der Gegend herum und glotzte blöd. Es würde also an ihm hängen bleiben.
    Langsam zog er seinen Säbel. Nichts gegen Victorius’ Geschenk, aber ein Schwert wäre in dieser Situation nützlicher gewesen. Der Säbel war nur einseitig geschliffen und zudem gekrümmt. Das machte es schwerer, sich gleichzeitig mehrerer Gegner zu erwehren. Wenigstens besaß dieser Säbel eine Schör, war also am Klingenrücken auf den ersten zwanzig Zentimetern angeschliffen. Das half besonders beim Rückhandschlag.
    Trotzdem: Diesen Kampf konnten sie nicht gewinnen. Rulfan war nie ein Feigling gewesen, aber ein Selbstmörder war er auch nicht. »Was können wir tun, damit ihr uns verschont?«, fragte er.
    »Nichts könnt ihr tun, weißer Mann«, knurrte ein Grimmock, dessen Haaransatz fast bis zum Hinterkopf zurückgewichen war.
    »Bei den Göttern…«, dröhnte ein anderer, dessen Muskeln die Kleidung zu sprengen drohten. »Ich töte dich allein schon wegen deiner Hässlichkeit. Dünn wie eine Gazelle, weiß wie Mehl, rote Augen wie Blut. Sind deine Innereien auch weiß? Es wird mir ein Vergnügen sein, das herauszufinden!«
    Rulfan checkte noch einmal ihre Optionen. Flucht war unmöglich. Also gab es nur eine Wahl: Kampf!
    Der erste Grimmock griff an. Trotz seiner Masse war er flink wie eine Kobra. Rulfan wehrte ihn mit seinem Säbel ab, machte einen Ausfallschritt, stach zu und verletzte den Kannibalen am Oberarm. Der Muskelmann brüllte wie am Spieß. Rulfan wirbelte um die eigene Achse und enthauptete den Mann mit der scharfen Seite des Säbels.
    Ich habe nichts verlernt, bin noch immer gelenkig und schnell! In dieser Sekunde fasste Rulfan Hoffnung. Als jedoch der nächste Barbar zum Angriff überging und die übrigen Männer langsam und konzentriert auf ihn zuschritten, wusste er, dass ihm der erste Erfolg nichts nutzen würde. Die Grimmocks spielten mit ihm.
    So sei es denn! Ich werde so viele in den Tod mitnehmen wie möglich. Aber warum wehrt Aldous sich nicht? Er hat ein Messer bei sich; warum benutzt er es nicht?
    »TÖTE!«, befahl der Alte in diesem Moment mit schneidender Stimme.
    Rulfan war so überrascht, dass er zurückblickte – und seinen Augen nicht traute. Was nun geschah, würde er für den Rest seines Lebens nicht vergessen.
    »TÖTE!«, wiederholte der Schamane.
    Winda, die Valvona, zuckte zusammen, als habe man sie geschlagen. Wie von einer Sehne geschossen schnellte sie vorwärts. Ihre langen Beine schlugen mit der Kraft von Vorschlaghämmern zu. Unter ihren breitzehigen Klauen zerbrachen Knochen, unter den donnernden Schlägen knirschten Schädel. Sie riss ihr Maul auf und brüllte markerschütternd. Zwei blitzende Zahnreihen, spitz und gefährlich, schlugen in Fleisch und rissen Haut.
    Nichts erinnerte mehr an die bislang immer träge Valvona. Ihr staksiger Gang war einer gespenstischen Geschmeidigkeit gewichen. Sie schlug ihre Fänge in Schultern, Beine und Schädeldecken.
    Einen der Grimmocks, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand, hob sie hoch wie eine

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