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2443 - Eschers Plan

Titel: 2443 - Eschers Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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hörte das Knarren der Stuhlbeine auf dem Boden. Außerdem stieß sie wohl mit den Knien gegen das niedrige Tischchen – auf der Platte klirrte leise der Löffel in der Tasse. Zweifellos hatte sie wieder Espresso getrunken. Während jeder Sitzung genoss sie dieses altterranische Getränk, das seit einiger Zeit wieder in Mode gekommen war. Sie hatte Unmengen eines schwarzen, bitteren Pulvers mit an Bord der RICHARD BURTON genommen. Das hatte sie ihm in einem der wenigen Momente erzählt, in denen sie etwas von sich offenbart hatte, statt ihn auszufragen.
    „Du bist nicht der Einzige, um den ich mich zu kümmern habe", sagte sie. „Vielleicht sollten wir einen Tag Pause einlegen, ehe wir uns wieder treffen. Ich habe meine Zeit nicht zu verschwenden."
    „Oder auch zwei Tage", ergänzte er.
    Sie atmete schwer und laut, sog die Luft tief ein. In einer absurden Assoziation sah Savoire sie auf ihm liegen, verschwommen und gesichtslos, und sie rang nach Atem, während Schweiß über ihre erhitzte Haut rann.
    „Geh!", forderte sie.
    Der Erste Kybernetiker erhob sich.
    Den Weg fand er inzwischen auch mit raschen Schritten. Er musste sich nicht mehr vorsichtig vorantasten, denn er konnte sich besser als je zuvor merken, welche Möbel oder Gegenstände wo standen. Den Grundriss eines Raumes, den er oft besuchte, vermochte er sich mit Leichtigkeit ins Gedächtnis zu rufen.
    Es war, als hätte sein Verstand ein wenig Platz geschaffen für alltägliche Dinge zwischen all den Formeln und wissenschaftlichen Analysen.
    Das Schott öffnete sich automatisch.
    Bevor er es durchquerte, roch es intensiver als zuvor nach Zimt und Sha’un – Fria Harrt positionierte die Duftzerstäuber stets am Ausgang.
    Dort hat es die größte Wirkung, pflegte sie zu sagen. Gleich wenn jemand eintritt, fällt dadurch alles, was vorher war, in größerem Maß von ihm ab. Auch an dieses Detail erinnerte sich Savoire genau, obwohl ihm solche Belanglosigkeiten früher völlig gleichgültig gewesen waren.
    Eine Stimme riss ihn aus den Gedanken, kaum dass sich das Schott hinter ihm wieder schloss.
    „Wir sind zurück, Erster Kybernetiker. Es ist so weit."
     
    *
     
    Mit den Nägeln von Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zwickte er ein Stück eingerissene Haut vom Nagelbett des linken Mittelfingers. Er hatte es gefühlt, als er die Fingerkuppen nervös übereinander rieb.
    „Es ist die beste Gelegenheit", versicherte Pal Astuin. „ESCHER arbeitet seit der Landung auf Khargard mit geringstmöglichem Energieverbrauch.
    Auch du wirst nicht benötigt, weder Atlan noch sonst irgendjemand wird je von deinem kleinen Trip erfahren."
    „Trip?", fragte Savoire zweifelnd. Er saß auf seinem Sessel im zentralen Kontrollraum. „Dieses Wort passt nicht zu dir. Dein gesamtes Verhalten ist ungewöhnlich, ich spüre das. Was verbirgst du vor mir?"
    „Du siehst Gespenster, Erster Kybernetiker. Es ist ganz einfach – entweder du nimmst das Angebot der Parapositronik an, oder du schlägst es aus. Zwei Alternativen. Nichts sonst spielt eine Rolle.
    Die Frage ist nur, was du willst, Savoire.
    Denk nicht an Atlan, an ESCHER oder an die Negasphäre. Wonach sehnst du dich, Erster Kybernetiker?"
    Er schwieg.
    So hatte er es sich nicht vorgestellt.
    Zweifel hatte er nicht erwartet – wieso auch? Warum nahm er das Angebot nicht freudig an? Weil er aus wissenschaftlichem Ehrgeiz die Distanz zu ESCHER und damit seine Objektivität als Forscher und Kontrollinstanz nicht für immer verlieren wollte? Oder fürchtete er sich davor, tatsächlich wieder sehen zu können, und das nur für eine kurze Zeit?
    Würde der Verlust hinterher nicht umso schmerzhafter sein?
    Noch immer fuhren die Nägel über die Hand, schrammten hart über das Gelenk des Daumens – es schmerzte. Ohne es zu wollen, steckte er die Fingerkuppe in den Mund und schmeckte Blut.
    Furcht ... das war es. Er hatte Angst davor, die Hyperdim-Matrix nie wieder verlassen zu wollen, wenn er sie erst einmal erlebte. Verlor das Leben mit all seinen Nöten und Gefahren nicht jeden Reiz angesichts der Herrlichkeit, die ihm dort bevorstand?
    Aber noch war er nicht bereit, alles auf der körperlichen Ebene des Seins hinter sich zu lassen. Es gab so viele Dinge zu regeln, so viele Erlebnisse zu spüren.
    Trotz allen Elends und trotz der düsteren Aussichten auf die Genese einer Negasphäre klammerte sich Savoire daran, lebendig zu bleiben. Und zwar körperlich und nicht nur als geistiger Teil einer höheren

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