2443 - Eschers Plan
wach, immer und immer und immer und immer ... bis mein Körper zusammenbricht im Chaos, ebenso wie mein Geist. Nur mühsam quäle ich mich aus der dunklen Tiefe empor. Es gelingt nur, weil ein Mediker mir gibt, was ich brauche: einen Leitfaden.
Eine Struktur, an der ich mich aus der Schwärze ins Licht ziehen kann.
Ich bin ein Teenager, verwirrt und unsicher. Seit meine Mutter krank ist, bin ich erneut auf der Suche. Ich treibe durch die Straßen meiner Stadt auf Diakat.
Hier ist es nicht gerade angenehm – die Stürme wirbeln alles durcheinander. Ich liebe dieses Chaos, denn es entspricht genau dem, wie ich mich fühle. Aber ich entdeckte Ordnung in der Wirrnis. Es gibt etwas, das Stabilität verspricht.
Dinge, die sich nie ändern, weil sie universell gültig sind, von manchen hyperphysikalischen Eskapaden abgesehen.
Naturgesetze, mathematische Formeln, die Logik kosmochemischer Komplexe ... sie bleiben wohltuend gleich, was auch geschieht.
Ich bin ein junger Mann, doch anders als die anderen. Genau wie es meine Mutter stets behauptet hat. Die meisten meiner Freunde verdrehen die Köpfe nach den Mädchen. Ich nicht. Da gibt es etwas, das vielversprechender ist. Ich habe die Kybernetik für mich entdeckt.
Zuerst stieß ich darauf, als sich meine Mutter endgültig ihrer Krankheit ergab und beschloss, nicht mehr weiterzuleben. Sie sprach davon, dass sie Vater wieder sehen wolle, bestieg ein Shuttle und stürzte sich aus einer Luftschleuse.
Leider kann ich ihre Zuversicht nicht teilen, sondern glaube, dass sie verwehen wird im Nichts, dass ihre Materie den ewigen Kreislauf beginnt. Wer weiß, vielleicht treiben ihre Atome bald im All, vermischen und vermengen sich und stecken einst in einem neuen Stern, der in den Weiten der ewigen Schwärze geboren wird. Sie hat mich gelehrt, dass wer Angst hat, stirbt.
Ich bin ein Student auf der einzigen Akademie meiner Welt. Diakat hat nicht gerade den Ruf, bedeutende Wissenschaftler hervorzubringen. Das spielt keine Rolle, es ist mir gleichgültig. Für mich zählt nur eins: Es gibt eine Struktur, eine Ordnung, in der ich selbst ebenfalls Struktur und Ordnung finde. Je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr Halt finde ich für meine Seele. Ich treibe nicht mehr ziellos durchs Leben, sondern sehe einen Anker, ein Ufer, an das ich mich immer wieder retten kann – die Logik der Kybernetik. Alles basiert auf klaren Gesetzen, so kompliziert sie auch sein mögen. Ausnahmen gibt es nicht, nur mangelndes Wissen.
„Mangelndes Wissen ... hier in der Hyperdim-Matrix wirst du es nicht finden."
Dr. Laurence Savoire dreht seinen immateriellen Leib, der nur ein hochkomplexer Informationskode in ESCHER ist.
Nun erst bemerkt er, dass diese Worte von jemandem gesprochen oder doch zumindest als Signal gesendet worden sind. „Pal Astuin? Du kennst meine Gedanken?"
Signal Pal Astuin: „Ich sah in dein Leben, denn du hast es mit uns allen geteilt.
Du hast gefunden, was du immer suchtest, Erster Kybernetiker. Struktur. Logik. Ordnung. Nicht verfälscht durch die Unzulänglichkeit organischen Lebens.
Genieße es, ehe du zurückgehst in die RICHARD BURTON und deine Aufgabe erfüllst."
Signal Laurence Savoire: „Warum habt ihr mich in die Matrix gebracht?"
„Schau dir an, was deine Zukunft sein wird, und du erträgst die Gegenwart.
Sieh es als eine Verheißung an, als einen Abklatsch der Herrlichkeit, die ESCHER für dich bereithält. Und bis es so weit ist, erfülle deine Aufgabe."
„Führe mich."
Es ist nicht unangenehm, den Avatar um etwas zu bitten. Savoire fühlt sich ihm so nahe, als wäre er ein Teil von ihm.
Signal Pal Astuin: „Das bist du auch, in gewissem Sinn. Kein Prozessor steht für sich allein, wir sind ein Kollektiv, und doch sind wir einzeln. Und du, Laurence Savoire, bist Gast und mehr als das."
Vor ihm steigt ein in allen Farben glühender Ball in die Höhe. Er wirbelt und strahlt, ehe er sich entfernt.
Savoire folgt Pal Astuin.
Als mobile Elemente streifen sie mit irrwitzigem Tempo durch ESCHERS Wunderwelten. Je länger er unterwegs ist, umso deutlicher versteht Laurence Savoire, dass die Ebene, die er vor sich sieht, nur eine Täuschung ist, die sein beschränkter menschlicher Geist selbst projiziert. ESCHER ist zu komplex, um sich darin zu erschöpfen.
Mit dem Wissen kommt die andere Sicht, die Ebene faltet sich in eine weitere Dimension, steigt auf, umschließt den Ersten Kybernetiker und gibt ihn doch zugleich frei.
Signal Pal Astuin:
Weitere Kostenlose Bücher