2443 - Eschers Plan
zum nächsten erlöschen die kreiselnden Lichtgestalten.
Ein Informationsstrom, der all ihre Essenz enthält, jagt den zwei Horizonten entgegen, dem der Matrix und dem der Wirklichkeit jenseits ESCHERS. Dann sind die beiden Prozessoren verschwunden.
6.
Tiefer in den Kaninchenbau
Die Avatare tauchten im zentralen Kontrollraum auf.
Pal Astuins Hand fuhr zum Kragen des schwarzen Anzugs und richtete ihn, dehnte den pseudomateriellen Stoff vor dem Kehlkopf. Eine Bewegung, die er nicht etwa ausführte, weil die Enge ihn drückte, sondern die rein aus alter Gewohnheit geschah. Sein Bewusstsein war wieder zu einer Form kristallisiert, und auch wenn diese nur projiziert war, imitierte es unwillkürlich Ausdrucksweisen des Körpers, der längst nicht mehr vorhanden war.
Es gab Momente, in denen Astuin als Prozessor in ESCHER die Wahrscheinlichkeit errechnete, dass die biologische Hülle eines Intelligenzwesens Einfluss auf das Bewusstsein ausübte, obwohl sie Lichtjahrmillionen weit entfernt war und ihre Funktion längst eingestellt hatte. Doch solche philosophischen Fragestellungen besaßen bei der Parapositronik keine Priorität. Der Großteil der Rechenkapazität wurde für die Alltagsschwierigkeiten des Aufenthalts in der Proto-Negasphäre benötigt. Außerdem rechtfertigte Astuin solche Anwandlungen nur selten vor sich selbst – es galt, wichtigere Aufgaben zu erfüllen, als das Wesen des Seins zu ergründen.
Merlin Myhrs Gesicht blieb ausdruckslos, als er sich im Raum umsah. „Savoire ist nicht hier."
„Hast du keine Informationen gesammelt, ehe du die Matrix verlassen und uns hierher geführt hast?"
„Natürlich habe ich das. Der Erste Kybernetiker leistet einen Teil des Tagesprogramms ab, das die Mediker ihm verordnet haben. Eine Psycho-Sitzung bei Fria Harrt."
Der Name war Pal Astuin nicht unbekannt. Sie waren über jede Person, die in Kontakt mit dem Ersten Kybernetiker stand, genauestens informiert. „Diese Kosmopsychologin bereitet mir Sorgen.
Sie übt keinen guten Einfluss auf unser Zielobjekt aus. Das kann nicht im Sinn der Parapositronik sein."
„Harrt dringt nicht zu Savoire durch.
Alles spielt sich genau so ab, wie ESCHER es prognostizierte. Savoires Geist ist zu sehr blockiert durch Entsetzen und Angst. Er wehrt sich wie ein trotziges Kleinkind, das sich nicht helfen lassen will. Es besteht also keine Gefahr, dass er nicht genau das tun wird, was wir von ihm erwarten. Obwohl er blind ist, habe ich in seinem Auge etwas gesehen, als wir ihm das Angebot unterbreitet haben.
Die Art, wie er es bewegt hat, wie sich die beiden Pupillen geweitet haben, obwohl es keinen Unterschied ergibt, ob viel oder wenig Licht durch sie fällt ... Er wird unserem Aufruf folgen. Noch heute.
Ich bin absolut sicher."
Sobald sie als Avatare die Matrix und ESCHERS Inner Space verließen, gab es nur die beschränkte und wenig effektive Möglichkeit der verbalen Kommunikation, um Informationen auszutauschen.
Was in der Matrix eine kaum messbare Zeitspanne in Anspruch genommen hätte, benötigte in der Außenwelt Minuten oder gar Stunden.
Myhr ging zum Ausgang. „Nach dem zentralen Transfer wird Harrt keine Gefahr mehr bilden. Dennoch sollten wir sie im Auge behalten und notfalls einschreiten. Falls sie die Lage im Nachhinein falsch beurteilt, könnte das für schlechte Stimmung sorgen. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zum Schweigen zu bewegen."
„Du wusstest also Bescheid, wo Savoire zu finden ist. Dann gibt es nur eine Erklärung: Du genießt es. Du freust dich darauf, einen Pseudokörper zu besitzen und ihn zu benutzen. Nur deshalb hast du die Kontrollkammer als Materialisationspunkt gewählt."
Im Gesicht des Avatars regte sich kein Muskel. „Es ist befriedigend zu gehen, Schritt für Schritt. In der Tat ist es erhebend, wie langsam die Welt an einem vorübergleitet. Auch darüber hinaus gibt es Dinge, die ich vermisse. Durst gehört dazu und danach das Gefühl prickelnder Kohlensäure auf der Zunge.
Doch ich halte mich im Zaum. Nicht jeder neigt wie du dazu, sich mit den Fragen des Seins offensiv auseinanderzusetzen, wenn die Zeit dafür bleibt.
Unsere Existenzweise hat sich nun einmal geändert, und zwar zum Besseren.
Warum sollten wir noch länger in der Vergangenheit verwurzelt bleiben? Gehen wir. Eine große Aufgabe wartet auf uns."
Pal Astuin sah Merlin Myhr hinterher, wie dieser die ESCHER-Anlage verließ.
Dann, in einem Akt von sinnloser Widerspenstigkeit, löste er seinen
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