2448 - Tage der Angst

zum Greifen nahe. Eine Ahnung warnte den Aeganer jedoch davor, nach diesen Phantomen zu greifen. Sie waren seine Spiegelbilder und auch wieder nicht. Ein Spiegel vertauschte die Seiten. Aber diese Abbilder trugen das markanteste Hautmuster wie er ebenfalls an der linken Schläfe.
    „Wer seid ihr?"
    Ich bin ARCHETIM!, hallte es in neunfachem Echo über die Ebene. Ich habe dich zu mir geholt, um dir deine Aufgabe zu erleichtern.
    Ki-Myo wollte etwas erwidern, aber er konnte es nicht. Er fragte sich, ob ARCHETIM sich in diesen Abbildern seiner selbst oder in der transparenten Ebene manifestierte. Er kannte die Superintelligenz nur in ihrer Erscheinung als pulsierende Feuerkugel, eine kleine, lebende Sonne, aber das hier war völlig anders. Vielleicht befand er sich in einer fremden Dimension, in einem Raum, der sogar den Hyperknoten des KORRIDORS übergeordnet war und dessen Parameter sich dem Wahrnehmungsvermögen eines Aeganers nur sehr unvollkommen erschlossen. Sobald er einen seiner Doppelgänger fixierte, glaubte er in ihm eine irisierende Struktur zu erkennen, wie sie von der Lichtbrechung kristallähnlicher Materie hervorgerufen wurde.
    In den nächsten Tagen werden zehn GESETZ-Geber, die nach wie vor in Tare-Scharm operieren, einen Großangriff auf das Chaotische Geflecht im Sektor Bi-Xotoring starten. ARCHETIMS Stimme dröhnte über die endlose Glasebene hinweg. Das Ablenkungsmanöver wurde von langer Hand vorbereitet, und schon zweimal haben Teilflotten jenen Sektor angegriffen.
    Dieses Vorgehen sollte den Anschein erwecken, etwas im Bereich Bi-Xotoring sei von besonderem Interesse für mich. Nun folgt mit den zehn GESETZ-Gebern der massivste offene Zugriff, der jemals gegen ein Chaotisches Geflecht in Tare-Scharm ausgeführt wurde. KOLTOROC wird davon erfahren ...
    „Was willst du damit erreichen?"
    Natürlich fieberte Ki-Myo der Retroversion entgegen, und wenn es das Letzte sein würde, was er in seinem langen Leben zu sehen bekam. Er schreckte nur davor zurück, der ihm aufgebürdeten Verantwortung nicht mehr gerecht werden zu können. Er fürchtete zu versagen, weil seine Reaktionen nicht mehr mit seiner Erfahrung Schritt halten konnten.
    Ich erwarte, die Aufmerksamkeit der negativen Superintelligenz für geraume Zeit binden zu können, antwortete ARCHETIM.
    Spontan machte Ki-Myo eine Geste des Zwiespalts. Ebenso schnell ärgerte er sich darüber, weil ihn seine Spiegelbilder aus weit aufgerissenen Augen ungläubig anstarrten. Wie konnte er ARCHETIMS Voraussicht anzweifeln?
    Das war nicht einmal mehr mit der gelegentlichen Torheit seines hohen Alters zu entschuldigen.
    Natürlich ist das eine stark vereinfachende Erklärung – das tatsächliche Geflecht der Aktionen und Reaktionen zwischen KOLTOROC und mir könntest du nur nach einem intensiven Lernprozess und sogar dann nur teilweise erfassen, Ki-Myo. Aber das zu verstehen, ist für dich unnötig. Ich hoffe darauf, dass nicht nur KOLTOROC abgelenkt sein wird, sondern dass sogar starke Kräfte der Terminalen Kolonne aus dem Galaktischen Zentrum nach Bi-Xotoring abgezogen werden.
    KOLTOROC muss versuchen, unsere dort angreifende Streitmacht zu besiegen. Vor allem wird er die GESETZ-Geber in seine Gewalt bekommen wollen.
    Die Spiegelbilder rückten noch näher an ihn heran. Ki-Myo empfand sie nicht als Bedrohung, eher erfüllte ihn eine zunehmende Neugierde. Er glaubte, abwartendes Interesse und vor allem eine grenzenlose Zuversicht in ihren Gesichtern – in seinem Gesicht – zu erkennen.
    Mit geringer zeitlicher Versetzung beginnt nach dem Angriff bei Bi-Xotoring die Finale Schlacht bei Margin-Chrilox, hörte er ARCHETIMS mentale Stimme wieder. In dieser Entscheidungsschlacht obliegt dir der Oberbefehl, General Ki-Myo!
    Stille.
    Das Herz hämmerte dem Aeganer bis zum Hals. Er wollte antworten, wollte endlich alles loswerden, was ihn belastete, aber er brachte nicht ein Wort hervor.
    General Ki-Myo!
    ARCHETIM hatte ihn von seinem Gesandten in den Rang eines Generals erhoben und ihn damit Kamuko gleichgestellt. Ihr Name war längst zur Legende geworden, was nur wenigen Aeganern zu Lebzeiten widerfuhr, unabhängig davon, ob sie sich als Mann oder als Frau verstanden.
    General Ki-Myo, Befehlshaber über ARCHETIMS Flotte in der Finalen Schlacht. Auf seinen Schultern ruhte damit die Verantwortung für die Überlebenden mehrerer Galaxien ...
    Nun hatte er also endgültig Gewissheit, und sie sah keinen Deut anders aus als seine schlimmsten Befürchtungen. Er