245 - Geisterstadt Washington
Wade frei, wohl um Aruulas ungeschützten Arm zu erreichen.
Bevor dies aber geschehen konnte, schleuderte Aruula die Axt zur Seite. Die Masse klatschte zu Boden, löste sich von der Waffe und verschmolz wieder mit der Kreatur.
»Weg hier!«, keuchte die Barbarin und hob die Axt vom Boden auf. Doch wohin? Der Weg zum Gleiter war von der Riesensnäkke versperrt. Also liefen sie in die Richtung, in der ihr ursprüngliches Ziel lag: das Capitol! Sie spurteten über den rissigen Asphalt der Straße. Immer weiter, immer schneller, immer geradeaus. Nach fünfzig Schritten warf Matt einen Blick zurück. Gute zwanzig Meter lagen jetzt zwischen ihnen und dem Ding. Es bewegte sich zu langsam, als dass es sie einholen konnte.
Matt wollte schon wieder nach vorn schauen, als er im Schatten der Häuser noch eine Bewegung wahrnahm, wesentlich näher und schneller. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er zwei weitere Ableger der Kreatur sah, die die Größe von Kleinwagen besaßen – und fast genauso schnell jagten sie heran! Das darf doch alles nicht wahr sein, dachte Matt voller Entsetzen.
»Was ist das da?«, drang Aruulas Ruf an sein Ohr. Er folgte ihrem Fingerzeig – und schrie vor Überraschung auf.
Keine zehn Schritte vor ihnen lag ein Flammenwerfer auf dem Asphalt! Dem Mann aus der Vergangenheit erschien er wie ein Geschenk des Himmels. Trageriemen, Schlauch und Ventil, nichts fehlte. Er griff danach und hängte ihn sich über die Schulter. Hoffentlich funktionierte das Ding! Er fingerte am Ventil herum. Das kleine Rad ließ sich keinen Millimeter drehen. Dreck verklemmte das Gewinde.
Fluchend klopfte er mit dem Griff seines Drillers dagegen. Kleine Steinkrumen bröselten zu Boden. Nur wenige Meter vor ihm wälzten sich die giftgrünen Kreaturen heran. Neben sich hörte er Aruula rufen. Dann endlich ein Knirschen im Gewinde. Der Widerstand am Ventil gab nach und zischend entwich Gas aus dem Rohr.
Matt betätigte den Zünder. Rot-gelbe Flammen schossen aus der Mündung. Keinen Augenblick zu spät. Schon hatten ihn die giftgrünen Ableger erreicht. »Ab mit euch in die Schleimhölle«, knurrte Matt und richtete den Feuerstrahl auf sie.
Brausend stoben die Flammen über die snäkkenartigen Körper. Sie bäumten sich auf, wanden und krümmten sich. Ihre grüne Farbe verblasste, während die Poren ihrer Oberfläche aufzubrechen schienen und sich in eine dunkle Substanz verwandelten. Innerhalb weniger Sekunden waren beide Kreaturen von einer Kruste überzogen und rührten sich nicht mehr.
Matt ließ den Auslöser los und wich zurück. Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen. Feuer schien die Lösung für die Vernichtung dieser Kreatur zu sein, die ihnen zehn Meter entfernt im gleichmäßigen Tempo entgegen wallte.
Doch die vage Hoffnung zerstob, als er bemerkte, dass die dunkelgrüne Kruste schon nach Sekunden wieder zu glühen begann und zähflüssig wurde. Feuer konnte dieses Wesen nur für kurze Zeit aufhalten, aber nicht vernichten! Im Gegenteil: Auch diese Ableger wuchsen nun weiter an, während sie sich regenerierten!
Matt dachte er an die Kampfspuren, die sich über die ganze Stadt verteilten: Die Waashtoner hatten ebenfalls versucht, diesen Biestern mit Feuer beizukommen, und waren kläglich gescheitert.
In seinem Rücken hörte er wieder Aruula rufen. »Ich komme«, flüsterte er. Dann fuhr er herum und rannte los.
***
Müde erhob sich Bürgermeister Louis Stock von der abgewetzten Matratze seines winzigen Domizils: ein Abstellraum in der Nähe der Großküche. Nicht größer als eine Besenkammer und düster wie das Innenleben des Bürgermeisters. Vergilbte Wände, ein leeres Regal, ein Bett und vierzig Zentimeter Boden zwischen Matratzenende und Tür. Nicht zu vergessen der Spiegel, den er umgekehrt gegen die Wand gestellt hatte, um seinen Anblick nicht ertragen zu müssen.
Er selbst hatte dieses Refugium für sich gewählt. Weit weg von der Hardy, von Sigur Bosh und Mr. Black. Die ihn zwar täglich über den Stand der Dinge informierten, mit denen er aber darüber hinaus kein persönliches Wort wechselte. Er mied die Nähe seiner einstigen Freunde. Überhaupt würde er am liebsten keiner Menschenseele begegnen. Keiner! Doch das ließ sich leider nicht umgehen in diesem verfluchten unterirdischen Bau.
Seufzend zog er sich den Gürtel seiner ausgebeulten Hose enger. Um zwei Löcher hatte er ihn in den letzten Wochen erweitern müssen. Fast zehn Kilo hatte er abgenommen hier unten. Was nicht
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