245 - Geisterstadt Washington
verstärkte sich das Gefühl der Anwesenheit einer fremden Präsenz. Auch Maddrax schien sie zu spüren. Er öffnete die Jacke seines Spinnenseidenanzugs und holte den Driller aus dem Holster. Die Barbarin wechselte die Axt in die linke Hand und zog zusätzlich ihr Schwert aus der Rückenkralle. Irgendwo zerrten Windböen an klappernden Fensterläden. Ein Ekel erregender Geruch stieg Aruula in die Nase. Der Geruch nach faulen Eiern. Dann vernahm sie ein Rascheln und Knistern in ihrem Rücken. Es klang, als würde sich ein Rozieren-Ballon aufblähen.
Das ist nicht der Wind, dachte sie und drehte sich blitzschnell um.
Was sie sah, verschlug ihr Atem und Sprache. Aus der Gasse, die noch vor wenigen Minuten verlassen schien, ragte jetzt ein wellenförmiges Gebilde. Es reichte bis an den Dachfirst der umstehenden Gebäude und füllte die Breite der gesamten Gasse aus. Giftgrün war es. Keine Glieder, kein Gesicht. Wie eine Riesenwoge, die auf dem Meer zu grünem Eis erstarrt war, verharrte es an einer Stelle. Doch unter seiner gallertartigen Haut durchliefen pulsierenden Bewegungen die mächtigen Körpermassen.
Aruula sog hörbar die Luft durch die Nase ein. Sie hatte ein wildes Ungeheuer erwartet, mit Klauen und Zähnen. Mit dem… Ding, das da vor ihnen aufragte, hatte sie nicht gerechnet. Seine Größe war mehr als beeindruckend und das Wissen um Tod und Zerstörung, die es über die Stadt gebracht hatte, jagte der Barbarin Schauer über den Rücken.
»Es scheint uns zu beobachten«, hörte sie Maddrax an ihrer Seite raunen. Mit einem Ausdruck der Verblüffung wanderte sein Blick über die grüne Kreatur. »Was hat es vor? Kannst du etwas erlauschen?«
Aruula hätte nicht erwartet, auf ein – wenn auch fremdartiges – Bewusstsein zu stoßen, denn ein Gehirn konnte sie in der wogenden Masse nicht ausmachen. Die Bilder, die sie empfing, waren düster und erschreckend: Feuer und Stahlgeschosse. Schemenhafte Gestalten von fliehenden Menschen und Tieren. Fleisch, das sich von Knochen löste. Ein dumpfer Instinkt, der durchsetzt war von einer Gier, die Aruula den Schweiß ins Gesicht trieb.
»Flieh!«, rief sie Maddrax zu. Sie griff nach seinem Arm. Doch schon senkte sich der mächtige Leib der Kreatur. Wie ein gefällter Baumstamm neigte er sich dem Erdboden zu. Nur wenige Schritte von ihnen entfernt landete sein Vorderteil auf dem quer stehenden Panzerwrack. Ein dumpfes Klatschen ertönte. Die Erde erzitterte. Selbst im Liegen hatte das Wesen die Höhe einer Scheune. Seine weichen Körpermassen glitten vom Panzer und robbten mit wellenartigen Bewegungen auf Matt und Aruula zu.
***
Matthew Drax konnte seinen Blick immer noch nicht von diesem Wesen lösen, das da langsam auf sie zu kroch. Die Art, wie es sich bewegte, die Struktur seiner Haut…
Es ist ein Weichtier, dachte er, eine verfluchte Riesenschnecke. Wieso waren die Waashtoner nicht mit ihr fertig geworden?
»Flieh!«, hörte er seine Gefährtin rufen. Sie zerrte an seinem Arm. Fast gleichzeitig schnellte eine Ausstülpung aus dem wabernden Leib der Kreatur. Mit einem schmatzenden Geräusch zuckte sie auf Drax zu: giftgrün, glitschig und schnell. Zu schnell, als dass Matt noch ausweichen konnte. Schon wickelte sich der tentakelartige Auswuchs um seine Wade.
Der Mann aus der Vergangenheit reagierte mit einer Salve aus seinem Driller. Ein wellenförmiges Zittern durchlief den Körper des Tieres, während die Explosivgeschosse in die weiche Masse eindrangen und sie auseinender fetzten.
Der Strang wurde durchtrennt – aber der Schleim an Matts Bein löste sich nicht; im Gegenteil! Wie ein eigenständiges Wesen breitete es sich auf dem Stoff aus und schien dabei sogar noch zu wachsen!
Auch die Hauptmasse der Kreatur wucherte jetzt wild an der Stelle, wo die Drillermunition detoniert war – als würde die freigewordene Energie die fremdartigen Zellen zu neuem Wachstum anregen!
Einen Augenblick lang stand Matt wie erstarrt. Wie sollte er den Ableger loswerden? Er wagte es nicht, ihn mit den bloßen Händen zu berühren. Seine Haut unter der Masse begann zu prickeln, wurde warm. Bislang hielt der marsianische Stoff die ätzenden Körpersäfte fern – aber wie lange noch?
Im nächsten Moment war Aruula bei ihm. »Vorsicht!«, rief Drax seiner Gefährtin zu, aber sie wusste, was sie tat. Sie schob die Axtklinge unter die Masse und zerrte daran.
Sekundenschnell wucherte der Schleim über die Schneide und den Axtstiel empor – und gab gleichzeitig seine
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