248 - Entfesselte Gewalten
plötzlich sehr nahe, direkt über die Truppe schien es hinweg zu rauschen.
Rönee fröstelte. »Was war das?«
Statt zu antworten, rannte Lysambwe los und winkte seine Männer hinter sich her.
Der kaiserliche Aufklärungstrupp hetzte durch die Abenddämmerung. Am Farnfeld bog die Kolonne in den Pfad ein, der zur Lichtung führte. Zwischen zwei Urwaldriesen, unter einer Lücke zwischen ihren Baumkronen, blieb Lysambwe stehen und sah in den Himmel hinauf. Die ersten Sterne funkelten und die Mondsichel war aufgegangen, doch Rönee sah sie nicht einmal zur Hälfte, als er neben seinem Hauptmann stillstand und in den schon fast dunklen Himmel starrte.
Etwas verdeckte die Mondsichel halb, etwas Großes… etwas, das fliegen konnte.
»Ein Vogel«, flüsterte einer der Männer.
»Ich will auf der Stelle bleich wie Seine Exzellenz werden, wenn das da oben ein Vogel ist«, knurrte der alte Lysambwe. Das fliegende Riesending verschwand aus ihrem Blickfeld. Die Mondsichel war wieder vollständig zu sehen. Für einen Augenblick fragte Rönee sich, ob er womöglich geträumt hatte.
Lysambwe rannte erneut los. »Zur Lichtung, zum Luftschiff!« Rönee und die anderen fünf folgten ihm. Keiner von ihnen kannte eine Scheu vor dem nächtlichen Urwald, Rönee am allerwenigsten.
Keine zwei Minuten später erreichten sie die Lichtung, schlüpften durch die Luke ins Luftschiff und feuerten die noch warme Brennzelle an. Nicht lange danach erhob sich die Roziere mit den sieben Männern von der Lichtung und stieg langsam über die Baumwipfel in den dunklen Himmel hinein.
Rönee, der das Luftschiff steuerte, nahm Kurs auf Wimereux-à-l'Hauteur. Die Ankerstation war nicht weit entfernt, die Stadt schwebte nahe des Seeufers über der Pyramidenstation mit dem Versorgungsschlauch. Deutlich sah man ihre vertrauten Umrisse und erkannte im Mondlicht auch bald die Stabilisierungsballons, die Ankertaue, die Dächer und die Läufe der Dampfdruckkanonen an ihrem Rand.
Etwas jedoch war anders als sonst.
»Die Stadt steht irgendwie schräg in der Luft«, sagte einer der Männer.
»Warum erkenne ich nur sieben Stabilisierungsballons?«, krächzte Lysambwe, der an einem der Fenster stand und mit einem Fernrohr nach der Wolkenstadt spähte.
»Das fliegende Tier!«, rief Rönee. Vom Steuerruder aus sah er das Monstrum hinter der Stadt in die Höhe steigen. »Es hat Wimereux-à-l'Hauteur gerammt!«
Stummer Schrecken erfasste die Männer, alle drängten sich nun an den Fenstern. Das fliegende Monstrum stieg höher und höher in den Abendhimmel hinauf, ließ die Stadt unter sich zurück.
»Verflucht«, stieß Lysambwe heiser hervor. »Verflucht, verflucht…« Und dann an die Adresse seiner Männer: »Wollt ihr wohl an den Kessel und die Ventile gehen, ihr faulen Säcke?« Er schrie ein paar Befehle, und die Männer sorgten dafür, dass die Roziere an Höhe und Geschwindigkeit gewann.
»Es stürzt sich schon wieder auf die Stadt…« Obwohl er schreien wollte, sprach Rönee mit tonloser Stimme. Das Entsetzen raubte ihm schier die Sprache. Und er hatte recht: Wie ein mächtiger schwarzer Keil schoss das Monstrum auf Wimereux-à-l'Hauteur hinab. Einige der Männer schrien auf.
Die Wolkenstadt schaukelte, schwankte und kreiselte, als der Angreifer sie traf. Sofort danach stieg er schon wieder zum nächsten Angriff auf. »Der Trägerballon senkt sich«, flüsterte Lysambwe. »Was ist das für ein schrecklicher Feind…?«
Niemand antwortete dem Hauptmann, niemand konnte ihm antworten. Knapp dreihundert Meter noch trennten die Roziere des Spähtrupps und Wimereux-à-l'Hauteur, als das Monstrum die Wolkenstadt zum dritten Mal rammte. Diesmal waren sie nahe genug, um die Gestalt des Angreifers deutlicher erkennen zu können: Wie ein fliegender Rochen sah er aus. Wie das Wesen also, das ein Jagdtrupp Wochen zuvor weit im Osten entdeckt und beschossen hatte, bis es in einen Fluss stürzte.
Offensichtlich lebte es noch – und sann auf Rache! Aber wie hatte es hierher gefunden?
Und noch etwas sahen die Männer um Lysambwe und Rönee: Menschen und Geschütze gingen über Bord, fünf Stabilisierungsballons insgesamt waren zerstört und der Trägerballon neigte sich in einem ständig wachsenden Winkel dem dunklen Wald entgegen. Der Versorgungsschlauch wurde bis an die Grenze seiner Belastbarkeit gedehnt – dann riss er ab. Glücklicherweise würden Ventile verhindern, dass nun das Gas ungehindert aus dem Trägerballon strömen konnte.
Doch seltsam: Der
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