248 - Entfesselte Gewalten
hatten sie ihn und Zarr in die Falle locken wollen, weiter nichts!
Zarr hob seine Keule. »Kämpfen!«, brüllte er.
***
Zwei Tage zuvor, am Ufer des Victoriasees
Die Sonne ging auf. Ihre ersten Strahlen lagen auf Aruulas Haut wie Maddrax' warme Hand. Sie tastete nach ihm. Seine Decke war leer, aber noch warm. Sie öffnete die Augen und setzte sich auf. Seine Kleider lagen neben seinem Lager, die Stiefel standen ein paar Schritte entfernt. Die Abdrücke seiner Fußsohlen führten zum See hinab.
Aruula schirmte ihre Augen gegen die noch tief stehende Sonne ab. Das flache Ufer war höchstens hundert Schritte entfernt. Dort stand er in der Brandung. Er war nackt. Sie öffnete den Mund, um ihn zu rufen, ließ es dann aber. Wenn einer allein sein wollte, musste man ihn in Ruhe lassen.
Sie beobachtete ihn eine Zeitlang. Ohne Eile schritt er jetzt ins seichte Uferwasser hinein. Als es ihm über die Hüften schwappte, warf er sich bäuchlings in den See und schwamm mit kräftigen Zügen in den Morgendunst hinaus.
Aruula stand auf, nahm ihr Schwert und folgte den Spuren seiner nackten Füße. Der Sand war noch kühl von der Nacht. Kurz vor dem Ufer ließ sie die Klinge fallen und streifte ihren Lendenschurz ab. Sie ging ein paar Schritte weiter, bis das Wasser ihr bis über die Knöchel reichte. Maddrax schwamm schon gut zwei Speerwürfe weit draußen im See. Nur seine Umrisse konnte sie noch hinter den Dunstschleiern erkennen.
Aruula ließ sich fallen, streckte sich auf dem Rücken aus und sah in den Morgenhimmel. Die sanfte Brandung schaukelte ihre schwarzen Locken im Wasser. Wellen spülten über ihre Schenkel, ihre Scham und ihren Bauch hinweg und streichelten ihre Brüste. Ein Schwarm großer Vögel durchquerte den Himmel.
Sie schloss die Augen und lächelte. Es war schön, am Seeufer zu liegen und zu spüren, dass man dazugehörte – zum Wasser, zum Sand, zu den Vögeln dort oben; dass man nur ein Lebewesen unter anderen, dass man nichts Besonderes war.
Auf einmal glaubte sie Maddrax schreien zu hören, und zugleich blitzte ein Angstbild durch ihren Kopf: Zähne sah sie, scharf und groß, und einen gewaltigen Rachen, der Maddrax verschlang. Sie fuhr erschrocken hoch.
Die Dunstschleier über dem Wasser hatten sich gelichtet. Ihr Gefährte schwamm weit draußen im See, ganz ruhig, ohne Hektik. Er hatte nicht geschrien – in ihrem Kopf hatte es geschrien, in ihrem Kopf hatte ein Raubtierrachen ihren Geliebten verschlungen, alles nur in ihrem Kopf! Sie wollte sich ins Wasser zurücklegen, doch plötzlich stutzte sie und sah genauer hin: Maddrax war nicht allein. Etwas schwamm da, ganz in seiner Nähe!
Sie sprang auf, schirmte die Augen mit der Hand ab, spähte auf den See hinaus. Eine Flosse ragte etwa anderthalb Meter aus den Wogen, spitz, schmal und säbelartig gebogen. Sie umkreiste den Geliebten in einem Abstand von vielleicht sieben Speerlängen. Ein Raubfisch! Ohne Zweifel ein riesiger Raubfisch!
Atemlos beobachtet sie die Szene. Warum nur versuchte Maddrax nicht zu fliehen? Er schwamm so seelenruhig im See, als würde er den Raubfisch überhaupt nicht wahrnehmen. Das Herz schlug ihr in der Kehle. Jetzt zog die monströse Rückenflosse immer engere Kreise um den Geliebten!
»Maddrax!« Sie drehte sich nach ihrem Schwert um. Doch was nützte ihr die schwere Klinge draußen im See? »Maddrax!« Aruula rannte in die Brandung, warf sich in den See, kraulte los.
Als sie auftauchte, um Atem zu schöpfen, war die Rückenflosse verschwunden. Einfach weg. Und wenn der Mammutfisch nur abgetaucht war, um sich Maddrax von unten zu schnappen? Mit hektischen Schwimmbewegungen hielt Aruula auf den Geliebten zu. Gut zwei Speerwürfe trennten sie noch. Jeden Moment erwartete sie, dass er verschwand, dass der Raubfisch ihn unter Wasser zog.
Nichts dergleichen geschah.
Aruula drehte um, kehrte ans Ufer zurück. Dort stand sie lange, ließ sich von der Sonne trocknen und beobachtete ihren Geliebten draußen auf dem See. Der Fisch war verschwunden und tauchte nicht mehr auf.
Irgendwann schwamm auch Maddrax zurück an den Strand. Er stieg aus dem Wasser, richtete sich auf, blieb vor ihr stehen. Bleich sah er aus, und erschöpft. Tiefer Ernst lag in seinem Blick. Er fasste sie bei den Schultern und zog sie an sich. »Daa'tan ist unser Sohn«, sagte er leise.
»Ja.« Sie drückte sich an ihn. »Und ich liebe ihn trotz allem, was er uns angetan hat.«
»Ich will mich um jeden Preis mit ihm versöhnen«, flüsterte
Weitere Kostenlose Bücher