2483 - Die Nadel des Chaos
und die Wand des Ganges berührte. Schrecken durchfuhr ihn, als er bemerkte, dass der Kosmitter unvermittelt die zwischengeordnete Existenzebene verließ und auf die normale zurückkehrte.
Nun waren sie beide keine allenfalls halb transparenten, schimmernde Gestalten mehr, die von keinerlei Überwachungseinrichtungen wahrgenommen und im Regelfall von normalen Lebewesen überhaupt nicht bemerkt werden konnten. Nun waren sie für jedermann sichtbar, für Ganschkaren und Mor’Daer und alle Arten von Kameras.
„Isokrain!", zischte er und sah sich um. Kolonnen-Angehörige schienen jedoch nicht in der Nähe zu sein, und Überwachungsgeräte konnte er auch nicht ausmachen.
Der Insk-Karew beachtete ihn gar nicht, ignorierte seine Überraschung und sein Unbehagen. Er ließ die Handschere über die Wand gleiten, und die kleinen Fingerchen neben ihr führten einen hektischen, für Savoire sinnlosen Tanz auf.
„Hyperende", sagte der Insektoide geistesabwesend.
„Was?", flüsterte der Erste Kybernetiker.
„In direkter Nähe befindet sich Hyperende." Isokrains Fühler hoben sich, näherten sich vorsichtig der Wand, als wollten sie sie ebenfalls berühren, zuckten im letzten Augenblick jedoch wieder zurück.
„Jenseits der Wände pulsiert der Hyperraum", sagte der Insk-Karew leise, „fließen unbegreiflich monströse Ströme, die vom Elementar-Quintadimtrafer der Nadel des Chaos gebändigt werden."
Savoire zuckte mit den Achseln. „Ich bemerke nichts davon."
„Natürlich nicht. Gewöhnliche Besatzungsmitglieder spüren gar nicht, wie nahe sie am Hyperende sind. Aber erinnerst du dich an den Bericht des T-Prognostikers? Für sie stellt der Bereich eine Gefahr dar, die durchaus tödliches Potenzial birgt."
Der Kybernetiker streckte ebenfalls zögernd eine Hand aus, nahm dann allen Mut zusammen und berührte die Wand.
Auch jetzt konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen. „Der Hyperraum?", fragte er ungläubig.
„Ich kann es mit meinen Sinnen deutlich spüren. Aber sie sind den deinen weit überlegen."
Savoire schluckte. Die Worte des Kosmitters verstärkten sein Unbehagen nur noch.
Nun ja, dachte er, um sich zu beruhigen. Lange werden wir nicht mehr direkt neben dem Hyperraum ausharren müssen. Nur noch, bis der nächste Portivabschnitt installiert ist, der unsere Position in der Nadel des Chaos etwas weiter nach innen rücken lassen wird.
„Komm weiter!", sagte der Diakater ungeduldig. Er gestand sich ein, dass Hyperende ihm Angst machte. Zu gewaltig waren die Kräfte, die er nicht verstand und die sich den Worten des Kosmitters zufolge nur wenige Meter von ihm entfernt befanden, von denen nur die Außenhülle des Kolonnen-Forts sie trennte, und vielleicht ein Schutzschirm.
Der Avatar des Weltweisen zögerte, als erzeuge die Nähe des Hyperraums in ihm eine Faszination, der er sich nur schwer entziehen konnte. Doch nach einigen Sekunden richtete er die Fühler auf und zog die Hand zurück.
„Ja, gehen wir weiter", sagte er.
Erleichtert spürte Savoire, dass Isokrain ihn mit der anderen Hand berührte und teleportierte.
*
Obzwar die Umgebung mit jeder Teleportation wechselte, blieb sie irgendwie ewig gleich. Abgesehen von Hyperende unterschied sich der Aufenthalt in der Nadel des Chaos in keiner Weise von dem in einem gewöhnlichen Kolonnen-Fort. Viel zu groß waren die Entfernungen, viel zu anonym das einzelne Besatzungsmitglied, viel zu indirekt die Art der Tätigkeiten, als dass sich an diesem Ort ein Bewusstsein von Besonderheit hätte bilden können.
Unentdeckt und für Savoire offensichtlich ziellos bewegten sie sich durch die nicht enden wollende Reihe der Forts. Die Gleichförmigkeit machte dem Kybernetiker immer mehr zu schaffen.
So beeindruckend GLOIN TRAITOR äußerlich auch sein mochte, von den reinen Daten und Zahlen her, der schieren Größe, so ernüchternd wirkte der Aufenthalt im Inneren.
Wie erwartet hatte ESCHER Isokrain und ihn in der Nadel des Chaos auf Erkundung geschickt, wenn auch – genau wie damals im Kolonnen-Fort – nicht mit eindeutigen Anweisungen, wonach sie suchen sollten. Savoire nahm das als weiteres Anzeichen für die Probleme und die momentane Hilflosigkeit der Parapositronik, eine Rat- und Machtlosigkeit, die ihm große Angst bereitete. Für ihn war ESCHER nicht nur Inbegriff der letzten Hoffnung der Menschheit, sondern bislang eine überlegene Entität gewesen, der fast nichts unmöglich war.
Doch nun wurde diese Überlegenheit durch die schiere
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