249 - Showdown
Kopf. Kisiwaaku gehört den Toten, hatte Pilatre gesagt und unheimliche Dinge erzählt, deren Schrecken noch verstärkt wurde durch die prasselnden Flammen, vorbeihuschende Bateras, das Schreien der Nachtvögel und das Knarren der vertäuten Rozieren.
Die Barbarin hatte keine Angst vor stofflichen Gegnern. Es war das Übernatürliche, das sie erschauern ließ. Götter, Dämonen und Zauberei gehörten so selbstverständlich zu Aruulas Welt wie das tägliche Brot, und auch wenn Maddrax ihre Sicht der Dinge nicht teilte – ja, sie zuweilen sogar belächelte –, hielt die Barbarin an ihr fest.
Kein Tag verging ohne ein Gebet an Wudan, denn der Schutz des mächtigen Gottes, dessen Zeichen sie auf ihren Körper malte, war unverzichtbar. Besonders bei Begegnungen mit dem Unerklärlichen, und von dem existierte einiges zwischen dem Himmel und Orguudoos Reich!
So konnte Maddrax beispielsweise zwar erklären, wie es dazu kam, dass er buchstäblich aus den Wolken in Aruulas Leben gestürzt war. Doch eine Antwort darauf, woher die greise Göttersprecherin Wudans Auge das schon lange vorher gewusst hatte, kannte er nicht.
Trotzdem beunruhigte es Maddrax kein bisschen, was Pilatre über die Insel erzählte, und das wiederum machte Aruula nervös. Als sie jetzt vor der fertigen Feuerstelle kniete und in rascher Folge zwei Steine aneinander schlug, dass die Funken stoben, erinnerte sie sich an die Warnung des Kaisers: Ich bin nicht abergläubisch, mon ami, trotzdem würde ich diese Insel nie betreten. Zu viel Voodoo, zu viele Zaubersprüche – selbst für einen Mann, der an so etwas nicht glaubt. Sei vorsichtig, Matt! Die Totenruhe stören heißt Geister erwecken. Und man weiß nie, was da aus der stillen Erde heraufkommt!
Just in diesem Moment brach hinter dem Hüttendorf eine der morschen Palisaden von Wimereux herunter. Überlaut zerriss der Krach das Schweigen der frühen Dämmerung.
Erschreckt sah die Barbarin auf. War das ein Zeichen der Götter? Eine Warnung? Ihr Blick wanderte in die Ferne – zu einem Eiland, verborgen hinter den Schwingen der Nacht. Man sollte sich fernhalten von seiner geweihten Erde, und den Schlaf seiner Herren nicht stören. Denn Kisiwaaku gehörte den Toten!
Matt saß am Lagerfeuer und prüfte seine Waffe, als Aruula mit den Zutaten für das Frühstück zurückkehrte. Chira hockte neben ihm. Sie schien ihn als zeitweiligen »Ersatzmensch« für ihren Herrn Rulfan zu betrachten, denn sie wich selten von seiner Seite. Müde sah Matthew Drax aus. Er nickte Aruula zu, verhalten gähnend, und schob den Driller wieder ins Halfter.
»Normal ist das nicht.« Die Barbarin stellte einen Topf auf die Steinumrandung des Feuers. »Da treffen wir uns mit unserem Sohn, um ihn für eine friedliche Lebensweise zu gewinnen – und bringen unsere Waffen mit.«
Matt hob überrascht den Kopf. »Du hast nicht vor, dein Schwert hier zu lassen, oder?«
»Nein.« Aruula goss etwas Wasser in den Topf und begann Obst hinein zu schneiden. »Ich bete, dass wir Daa’tan bekehren können, denn er ist mein Kind, und ich liebe ihn trotz allem, was er getan hat. Aber deshalb werde ich nicht unvorsichtig. Schon gar nicht, solange der Echsenmann bei ihm ist.«
»Grao’sil’aana«, sagte Matt nachdenklich. »Wenn wir bei Daa’tan etwas erreichen wollen, müssen wir den Daa’muren ausschalten, und zwar so früh wie möglich! Er soll gar nicht erst die Gelegenheit bekommen, unsere Position zu schwächen. Nach dem Motto: Hör nicht auf deine Eltern, Junge! Wir Daa’muren waren es, die dich großgezogen haben, nicht sie!«
»Der Meinung bin ich auch. Gib mir mal die Teller da drüben!« Während die Barbarin das Essen verteilte, fuhr sie fort: »Blöd ist nur, dass wir keine Pläne machen können, was Grao betrifft. Wir wissen nicht, was uns auf Kisiwaaku erwartet.«
Matt nahm sein Frühstück entgegen. »Dann müssen wir improvisieren.« Er nickte seiner Geliebten aufmunternd zu. »Wir schaffen das schon!«
»Dein Wort in Wudans…«
»Ohr« wollte die Barbarin wohl sagen. Doch sie verstummte schlagartig: Da waren plötzlich Geräusche hinter ihr! Schritte, schnell und leichtfüßig. Jemand kam heran, als würde er von Orguudoo gejagt!
Chira sprang auf. Achtlos ließ Aruula ihren Teller fallen und schnellte hoch, kaum langsamer als die Lupa. Noch in der Drehung zog sie ihr Schwert. Wie Matt hatte sie mit Blickrichtung zum Lagerfeuer gesessen, deshalb waren ihre Augen die ersten Sekunden in der schwachen Dämmerung
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