249 - Showdown
des Unheimlichen.
Kisiwaaku. Ein kleines Eiland, von Tropenwäldern bewachsen, nebelumwogt. Gewaltige Vulkanausbrüche in der Zeit des Kometeneinschlags hatten es aus dem Granitboden des Sees gesprengt, mit kochender Magma und Ascheregen überzogen. Unter der Oberfläche verbarg sich ein kilometerlanges Labyrinth aus Lavaröhren und -schächten. Würde sich jemand hineinwagen, fände er mancherorts Gold, Elfenbein und andere Schätze. Doch das tat keiner, denn diese Schätze waren Grabbeigaben.
Kisiwaaku, das hieß »Insel der Könige«, und der Name kam nicht von ungefähr. Die Anrainer des Sees hatten die Geburt der Insel als Zeichen gedeutet, vermuteten auf ihr eine starke mystische Präsenz. Deshalb machten sie Kisiwaaku zur Nekropole derer, die von den Göttern geliebt wurden: afranische Könige und Stammesfürsten. Sie alle ruhten in der stillen Inselerde, seit Jahrhunderten schon. Frauen, Sklaven und Vieh leisteten ihnen darin Gesellschaft – ebenfalls tot, aber nicht auf natürliche Weise ums Leben gekommen. Damit den Herrschern die Zeit nicht lang wurde auf der Insel, die niemand zu betreten wagte.
Die Angst an Bord des Gleiters erreichte neue Höhen, als Thgáan den Vulkankegel ansteuerte. Einen Moment lang hatte Matt das Bild kochender Lava vor Augen, sah sich und Aruula schon hinabstürzen in Tiefen, aus denen es keine Rückkehr gab. Aber Pilatre de Rozier hatte ihnen gesagt, dass der Vulkan schon lange erloschen war; die Sorge war also unbegründet. Das sagte er auch den Frauen, um ihnen Mut zu machen.
Besonders Lay brauchte seinen Zuspruch. Sie kauerte hinter den Sitzen, hielt sich krampfhaft fest. Durch den Flügelschlag des Todesrochens schaukelte der Gleiter vor und zurück; die Schwerkraft ließ sie immer wieder nach unten, auf die Cockpitfenster zu rutschen. »Werden alle sterben wegen Daa’tan!«, schluchzte sie. »Hat ihn geboren die Hölle!«
»Nein, das war ich«, verbesserte Aruula leicht unterkühlt. »Daa’tan ist mein Sohn!«
Lay stutzte, als ihr jetzt erst etwas Wesentliches zu Bewusstsein kam, das sie vorher nicht realisiert hatte: »Aber wie möglich? Ist älter als du!«
»Ach du Scheiße!«, entfuhr es Matt.
Lay und Aruula verstummten, als sie merkten, dass sein Fluchen nicht ihnen galt, sondern Thgáan. Der Todesrochen hatte den mit Gras bewachsenen Krater überflogen, war zur Seite geschwenkt und hatte sich ein Stück absinken lassen. Auf halber Höhe zog er jetzt am Außenhang des Vulkankegels dahin, mit seinen Tropenwäldern und bizarren Felsformationen.
Unter ihm, am Fuß des Vulkans, lag der Grund für Matts Gefühlsausbruch: ein Riss im Inselboden. Breit, schwarz wie die Hölle und mit scharf gezackten Rändern aus Lavagestein. Thgáan hatte doch wohl nicht vor, sie dort hinein zu werfen…?
Mit trägem Flügelschlag flog der Todesrochen am Erdspalt entlang. Büsche und junge Bäume bogen sich, wenn Thgáans ledrige Schwingen knapp an ihnen vorbei peitschten.
»Sag mal, ist das… war das Rulfan?«, rief Aruula plötzlich. »Da, auf der rechten Seite der Schlucht!« Sie deutete aus dem Cockpitfenster, aber als Matt und Lay ihrem Fingerzeig folgten, war nichts von dem Albino zu sehen. Der dichte Dschungel nahm ihnen die Sicht.
»Rulfan! Wo gesehen?«, rief Lay und kam ins Rutschen, weil sie sich in die Höhe reckte. Schnell hielt sie sich wieder fest. »Müssen zu ihm!«
»Ich glaube, wir werden bald landen«, ächzte Matthew und starrte nach vorn. »Gott, das darf doch nicht wahr sein!«
Jenseits der linken Seite der Schlucht, im Schatten des Vulkankegels, ragte eine gut fünfzig Meter hohe Felsnadel auf. Und Thgáan hielt genau auf sie zu!
Die Spitze des Felsens war abgebrochen, bildete eine ebene Fläche mit einem Durchmesser von etwa zwanzig Metern; groß genug für den Gleiter. Matt überlief es eiskalt, als Thgáan stärker mit den Schwingen zu schlagen begann und sich höher in die Lüfte erhob.
Es wurde verdammt knapp! Ein Dutzend Meter noch, und das Cockpit würde gegen den Felsen schlagen! Lay hinter ihm schrie auf, und Aruula sog scharf die Luft ein. Doch der Todesrochen schaffte es im letzten Moment. Die Nase des Gleiters schrammte kreischend über den Felsengrat. Dann sank das Heck… und Thgáan ließ los.
Punktlandung!
Und nicht einmal besonders heftig. Der Rochen hatte seine Last vielleicht zwei, drei Meter über dem Boden freigegeben. Allzu viel konnte dabei nicht zu Bruch gegangen sein. Der Gleiter lag nur schräg auf der Seite, weil die
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