25 - Ardistan und Dschinnistan II
Geheimnis des
Maha-Lama von Dschunubistan und meines alten, treuen Basch-Islami!“
„Schadet nichts!“ antwortete Halef laut lachend. „Wir laden uns zur
Hochzeit ein, wenn seine Tochter mit dir den Thron besteigt!“
Der kleine, rabiate Kerl konnte es nicht über sich bringen, still zu
sein. Er hätte lieber sonst etwas erlitten, als gehindert zu sein, dem
‚Panther‘ einen Hieb zurückzugeben. Dieser sandte eine Erwiderung
herab, die wir aber nicht mehr verstehen konnten, weil der Fußboden
jetzt oben angekommen war und die Öffnung sich also wieder schloß.
„Warum willst du kein Licht?“ fragte mich der Mir.
„Ich will welches, aber nicht sofort jetzt“, antwortete ich. „Ich
nehme an, daß man uns noch lange beobachtet, und sie sollen nicht
erfahren, daß wir sehr wohl imstande sind, uns soviel Licht zu machen,
wie wir brauchen. Hast du eine Ahnung wo wir uns eigentlich befinden?“
„Nein. Ich könnte dir zwar antworten: Natürlich befinden wir uns
gerade unter dem Gefängnis Nummer fünf, aber das würde doch keine kluge
Antwort sein.“
„Allerdings nicht. Unsere Rettung hängt davon ab, daß wir kaltblütig
bleiben und keinen einzigen Schritt weiter tun, bevor wir uns nicht
ganz genau orientiert haben, wohin uns der vorige Schritt gebracht hat.
Ein jeder nehme sein Pferd an sich und wir, Halef, auch unsere Hunde,
damit sie alle ruhig bleiben!“
Es dauerte eine kurze Zeit, bis das geschehen war; dann fuhr ich fort:
„Zunächst die Himmelsrichtung! Nach welcher Richtung sind wir vom Fußboden herabgeglitten?“
„Nach West“, antwortete Halef. „Ich stand schon oben mit dem Gesicht nach West und habe mich seitdem nicht gedreht.“
„Das stimmt. Der freie Platz, auf welchem das Gefängnis steht, liegt
über der Mündung des Nebenflüßchens, von dem wir, während wir den Berg
herabritten, sprachen. Dieses Flüßchen fließt gerade aus West in den
Hauptstrom. Ich habe mir zweierlei sehr genau gemerkt, nämlich wo seine
Mündung und wo das Gefängnis liegt. Es geht gerade unter dem
Gefängnishof hindurch. Ich bin also überzeugt, daß wir uns in dem Kanal
befinden, der über seinem natürlichen Lauf künstlich gewölbt worden
ist. Können wir diesem Kanal in östlicher Richtung folgen, so gelangen
wir an seine Mündung die wir sahen, und sind dann frei. Ich vermute
aber, daß wir das nicht können. Man wird ihn verschüttet haben, damit
kein Gefangener entfliehen könne. Was weißt du hiervon?“
Diese Frage war an den Mir gerichtet.
„Nichts weiß ich“, antwortete er. „Sprich weiter, Effendi!“
Ich fuhr fort:
„Folgen wir dem Kanal in westlicher Richtung so führt er uns
jedenfalls unter der Militärstadt hin in das Festungsinnere. Kennst du
vielleicht einen Ort, an dem er dort zutage tritt?“
„Nein; ich kenne leider keinen“, erklärte der Mir, und zwar ziemlich
kleinlaut. „Fast möchte ich mich vor dir schämen! Ich habe mit meinen
großen Kenntnissen über die ‚Stadt der Toten‘ geprahlt und war auch
wirklich überzeugt, sie zu besitzen, und kaum sind wir angekommen und
haben noch gar nicht festen Fuß gefaßt, so stellt sich schon heraus,
daß meine Unwissenheit größer ist als mein Wissen!“
„Das schadet nichts!“ tröstete Halef. „Auch die Unwissenheit ist
eine ganz hübsche Sache. Sie nützt dem Menschen zuweilen mehr als alles
Wissen. Nur ein bißchen Glauben muß dabei sein, ein bißchen Glauben an
Allah und seine Scharen, die er uns sendet, wenn Rettung nötig ist. Wie
oft, wenn ich gemeint habe, recht klug gewesen zu sein, habe ich mich
tief in das Unheil hineingeritten! Und wenn meine Unwissenheit mir
riesengroß vor Augen stand und ich darum zu Allah um Hilfe betete, da
habe ich kaum ‚Amen‘ gesagt gehabt, so war ich schon gerettet! Also,
daß du unwissend bist, das schadet nichts, denn ich bin es auch. Ich
und mein Effendi haben uns noch in viel, viel schlimmeren Lagen
befunden, als unsere heutige ist, und doch sind wir stets glücklich
entkommen. Wir werden uns auch hier zu helfen wissen, und wie wir das
anzufangen haben, das wird uns jetzt mein Sihdi sagen; paß auf!“
„Warum willst denn du es nicht sagen?“ fragte ich ihn, wie ich gestehe, ein wenig ironisch.
„Weil ich es nicht weiß!“ antwortete er.
„So! Aber ich? Ich soll und muß es wissen?“
„Allerdings!“
„Warum?“
„Es ist deine Pflicht! Du hast mich einmal so daran gewöhnt, daß du
nachdenkst, ich aber führe es aus. Alle großen und
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