25 - Ardistan und Dschinnistan II
berühmten
Heldentaten, die man von uns erzählt, sind in deinem Gehirn
entsprungen. Von da sprangen sie dann zu mir herüber, in meine Arme und
Beine. Da sind sie zur Tat geworden und hinaus in alle Welt gegangen.
So soll es auch jetzt sein. Denke nur nach, Sihdi! Was du dir ersinnst,
das machen wir!“
„Könnte es denn nicht zur Abwechslung auch einmal so sein, daß ihr nachdenkt und ich führe es dann aus?“
„Nein; das geht nicht. Wir sind vier Personen, und du bist nur eine.
Du kannst unmöglich das alles ausführen, was wir ersinnen würden. Es
mag also bleiben, wie es stets gewesen ist.“
Diese Drolligkeit des kleinen Hadschi kam mir ganz recht. Die
Unbesorgtheit, mit der er unsere Lage betrachtete, mußte auch den
anderen jede Bangigkeit nehmen. Ich ging auf seine Ansicht ein, indem
ich beistimmte:
„Nun gut! Ich will versuchen, deine Wünsche zu erfüllen. Wir werden
zunächst nachschauen, ob der Kanal, in dem wir uns befinden, nach Osten
hin passierbar ist. Wäre dies der Fall, so gelangten wir, wie ich schon
gesagt habe, durch seine Mündung, die wir kennen, in den Hauptstrom und
wären dann sofort frei. Doch nehme ich an, daß es einen Ausgang nach
dieser Seite hin nicht mehr gibt. Der ‚Panther‘ hat die Örtlichkeit
jedenfalls sehr genau untersucht, ehe er uns hier herunterexpedierte.
So bleibt uns denn nichts anderes übrig, als uns nach West zu wenden.“
„Beginnen wir also! Machen wir Licht!“ meinte der Mir ungeduldig.
„Nein, noch nicht. Wir warten noch. Ich vermute, daß man oben
lauscht. Man soll nicht sehen, daß wir Licht besitzen, daß wir die
Sache kalt überlegen und nicht überstürzen, daß wir also keineswegs so
verzweifelt sind, wie die da oben sehr wahrscheinlich denken.“
Er mußte sich fügen, wenn er es auch ungern tat. Wir warteten wohl
eine ganze Stunde, und es stellte sich heraus, daß ich recht gehabt
hatte. Es geschah während dieser Zeit zweimal, daß der bewegliche Boden
da oben so weit heruntergelassen wurde, daß es möglich war, an den
Kanten herabzusehen. Auch hörten wir Stimmen. Sie klangen aber so
unterdrückt, daß wir die Worte nicht verstehen konnten. Gerade absolut
nötig war dieses unser Warten wohl nicht, aber ich wollte unsere Feinde
in Sicherheit wiegen. Je fester sie überzeugt waren, daß eine Flucht
für uns gar nicht möglich sei, um so weniger gaben sie auf uns acht.
Als aber eine Stunde vorübergegangen war, ohne daß sie sich zum dritten
Mal regten, öffnete ich mein Paket, und wir machten Licht.
Da zeigte es sich denn sofort, daß ein Entkommen nach der Ostseite
hin als unmöglich erschien. Der Kanal war nach dieser Seite hin nicht
nur zugeschüttet, sondern sogar mit so großen und so schweren
Felsenstücken versetzt, daß alle unsere Kräfte nicht ausreichten, auch
nur ein einziges loszubekommen und zu bewegen. Es blieb uns also nichts
anderes übrig, als uns nach der Westseite zu wenden.
Die war offen. Der Kanal glich keineswegs einem engen, niedrigen
Bergwerksstollen. Er war fast zwei Männer hoch und so breit, daß über
ein Dutzend Personen nebeneinander gehen konnten, ohne sich zu
berühren. Infolge dieser Breite gab es in der Mitte eine fortlaufende
Pfeilerreihe, von welcher die Decke mitgetragen wurde. Der Boden war
vollständig eben und glatt. Man hatte Sorgfalt auf ihn verwendet. Er
glich einer glattgeschlagenen Lehmtenne. Es gab eine leidlich gute Luft
und nicht die geringste Spur von Feuchtigkeit.
„Das sieht nicht aus wie ein Wasserkanal, wie der Ablauf eines Flusses!“ sagte der Mir.
„Du kennst ihn also nicht?“ fragte ich ihn.
„Nein. Ich weiß nur, was ich dir schon gesagt habe, nämlich, daß
sich das Nebenflüßchen an der Stelle, die ich dir zeigte, in den
Hauptstrom ergossen hat, und daß man den Lauf desselben mit einem
Gewölbe überbaute. Den Gedanken, in diesen Kanal einzudringen, habe ich
nie gehabt. Wie lang mag er wohl sein?“
„Das werden wir erfahren. Wir zählen die Schritte. Das dürfen wir
überhaupt nicht unterlassen, wenn wir uns später orientieren wollen.“
Nicht ein jeder bekam ein Licht. Wir mußten sparen. Es wurden nur
zwei Kaffeelämpchen mit Sesamöl gefüllt und angebrannt; dann machten
wir uns auf den Weg. Wir gingen natürlich langsam, sehr langsam, denn
die kleinen Flämmchen waren so unzureichend, daß man nicht drei
Schritte weit zu sehen vermochte. Wir konnten an jedem Augenblick an
eine Unterbrechung des Kanals, an ein Loch, einen Abgrund, eine
heimtückische Falle
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