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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verschwundenen Seelen auf der Rückkehr
seien, um uns, die wir für sie im Abendrot standen, zu begrüßen.
    Diesen Betrachtungen machte der kommandierende Offizier ein
schnelles Ende, der mit seinen fünfzig Reitern uns weit vorausgekommen
war, weil er nicht so, wie wir, angehalten hatte, um die ‚Stadt der
Toten‘ zu betrachten. Er rief nach uns zurück. Er forderte uns auf,
nicht länger zu zögern, denn der Weg nach dem Gefängnis Nummer fünf sei
noch weit, und es gebe nur noch eine halbe Stunde, bis es dunkel werde.
Wir folgten dieser Aufforderung.
    Indem ich während des Bergabwärtsreitens meinen Blick auf die
Zyklopenmauern der jenseitigen Festungsstadt gleiten ließ, wollte es
mir um den Ausgang des gegenwärtigen Abenteuers doch ein wenig bange
werden. Diese Mauern und Türme waren so stark und so hoch, daß für
einen jeden, der sich einmal hinter ihnen befand, das Entkommen
unmöglich zu sein schien. Darum fragte ich den Mir, doch so, daß nur er
es hörte:
    „Werden wir etwa da drüben eingesperrt?“
    „Nein“, antwortete er. „Aber selbst wenn dies der Fall wäre,
brauchtest du keine Sorge zu haben. Ich kenne mich dort aus. Ich
brauchte nur zu wollen, so wäre ich frei.“
    „Wo liegt unsere Nummer fünf?“
    „Noch vor den starken Befestigungsmauern, die dich zu ängstigen
scheinen. Du siehst das tiefe Bett des Flusses und die drei steinernen
Brücken, die hinüberführen. Das jenseitige Ufer ist künstlich
aufgemauert. Bemerkst du die große, weite Öffnung, die sich in dieser
Mauer befindet? Etwas unterhalb der mittleren Brücke?“
    „Ja. Es scheint das die Mündung eines früheren, unterirdischen Kanals zu sein.“
    „Nicht eines Kanals, sondern eines Nebenflüßchens, welches erst
offen in den Hauptstrom führte, später aber überwölbt worden ist. Über
dieser Mündung liegt ein großer, freier Uferplatz, an dessen Westseite
du ein Mauerquadrat siehst, welches sich um zwei Gebäude zieht, ein
Haupt und ein Nebengebäude. Das erstere ist unser Gefängnis Nummer
fünf, das letztere die Wohnung des obersten Aufsehers, die ich schon
einmal erwähnte.“
    „Hm! Dieses Gefängnis sieht gar nicht so ernst und bedenklich aus!“
    „Ist es auch nicht, ganz und gar nicht! Kein Mensch wird uns dort
festhalten können. Die Flucht ist keineswegs unmöglich, sondern sogar
sehr leicht. Sie verbietet sich nur aus dem Grund, daß man unterwegs
verschmachten muß, wenn man kein Wasser hat. Wir aber haben doch noch
alle Schläuche voll.“
    „Wir brauchen aber auch viel! Fünf Menschen, sieben Pferde und vier
große Hunde! Die wollen trinken! Es handelt sich um unser Leben, und da
soll man nicht allzu sorglos sein. Für jetzt aber ist die Hauptfrage
die, ob unsere Nummer fünf wirklich ein ehrliches Gebäude ist; das
heißt, ob sie hinterlistige Falltüren, Doppelmauern oder ähnliche
derartige Dinge hat.“
    „Das kann ich getrost verneinen. Ich habe als Knabe bei dem
damaligen Oberaufseher gewohnt und bin in allen Ecken und Winkeln
herumgekrochen. Wenn es so etwas gäbe, hätte ich es sicher gefunden,
oder der Oberaufseher hätte es mir gezeigt, wie er mir alles andere
zeigte, was niemand wissen durfte.“
    „So kann ich hierüber also ruhig sein?“
    „Unbedingt!“
    Er sagte das in einem so überzeugten Ton, daß ich ihm glaubte. Es
hätte ihn ja auch beleidigen müssen, wenn ich nun noch immer nicht
befriedigt gewesen wäre. Wir ritten nun still den Berg hinunter in
gerader Linie durch die Stadt, zuletzt über die mittlere Brücke, und
bogen dann links nach dem erwähnten freien Platz ein, an dessen
Westseite unser Gefängnis lag. Es sah aber wirklich und wahrhaftig
nicht wie ein Gefängnis aus! Es wurde bereits erwähnt, daß die
Umfassungsmauer nicht viel über Mannshöhe hatte. Jedes Kind konnte über
sie hinwegklettern. Als wir hart an ihr hinritten, schaute ich vom
Sattel aus, ohne mich in den Bügeln erheben zu müssen, ganz bequem in
den Hof hinein. Wir konnten das Hauptgebäude von Grund auf überblicken.
Es war kein einziges Fenster da, sowohl im Parterre als auch in der
Etage. Die Fensteröffnungen starrten uns alle leer und offen entgegen.
Man brauchte nur herauszusteigen, um frei zu sein! War das nicht
lächerlich? Und das nannte man ein Gefängnis! Mir wurde das Herz,
welches mir vorhin hatte schwer werden wollen, wieder leicht.
    Das Tor befand sich nicht auf der Fluß- sondern auf der anderen
Seite. Wir hielten vor ihm an. Die Sonne war verschwunden; die
Dämmerung

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