Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
oder an irgend sonst etwas geraten, was uns
verderblich sein sollte. Aber es kam nichts Derartiges. Wir gingen
hundert Schritte, fünfhundert, tausend Schritte.
    „Das wird langweilig!“ zürnte Halef.
    „Denkst du, daß man uns zur Kurzweile hier eingesperrt hat?“ fragte ich ihn.
    „Nein, das nicht. Aber wenn das so fortgeht, setze ich mich her und schlafe ein!“
    Als wir sechshundert Schritte gezählt hatten, nahm ich an, daß der
Kilometer voll sei. Aber wir legten einen zweiten Kilometer zurück,
ohne daß wir an das Ende kamen. Wir führten die Pferde am Zügel. Auch
die Hunde hatten sich hinter uns gehalten, still und ohne Aufregung.
Nun aber wurden sie unruhig. Sie drängten sich vor. Sie wollten uns
voran; wir mußten sie an die Leine nehmen; aber sie ließen sich das nur
widerwillig gefallen. Uucht blieb plötzlich stehen, um eine Stelle des
Bodens zu untersuchen. Dann hob sie die Nase, sog die Luft mit lang
ausgestrecktem Halse ein und riß sich dann los. Ein lautes
Freudengeheul ausstoßend, verschwand sie in dem uns entgegengähnenden
Dunkel, Aacht, Hu und Hi sofort hinter ihr her. Wir konnten sie nicht
halten. Ihre Stimmen erregten in dem langen, die Schallwellen
tausendfach zurückwerfenden Kanal einen Lärm, als ob eine Legion von
Teufeln brülle und heule.
    „Der Dschirbani?“ fragte der Mir.
    „Wahrscheinlich!“ antwortete Halef. „Unser Dschirbani und der Prinz der Tschoban! Beeilen wir uns!“
    Die Hundestimmen verklangen; dann hörten wir menschliche. Aber es
war kein einziges Wort zu verstehen. Der Widerhall verstärkte und
verwirrte die Töne ins Ungeheuerliche. Ganz selbstverständlich war es
nun mit unserer bisherigen Langsamkeit zu Ende. Wir eilten vorwärts, so
schnell wir konnten. Und die beiden kamen uns ebenso schnell entgegen.
Ja, sie waren es; der Dschirbani und Sadik, der wahrhaft erstgeborene
Prinz der Tschoban!
    Ich unterlasse es, das Wiedersehen zu beschreiben. Sie waren ganz
auf dieselbe Art, wie wir, in die Falle gelockt worden. Sie waren
überzeugt gewesen, mit dem Herrscher von Ardistan verhandeln zu sollen.
Aber sie hatten nicht so viel Glück gehabt wie wir. Man hatte sie
überwältigt, entwaffnet und gefesselt und ihnen nur die Füße wieder
freigegeben, als sie am Gefängnis Nummer fünf angekommen und, gradso
wie wir, ganz unvermutet in die Tiefe hinabgelassen worden waren. Dann
unten hatten sie einander die Hände selbst befreit. Sie waren nun schon
zwei volle Tage unten, ohne Essen und ohne Wasser. Besonders ihr Durst
war groß, weil man ihnen auch schon während des Transportes nichts zu
trinken gegeben hatte. Wir wollten ihnen gleich jetzt, hier an Ort und
Stelle, Wasser verabreichen; sie aber sagten uns, daß es bequemer sei,
mit ihnen erst an das Ende des Kanals zu kommen, wo der Raum größer sei
und es auch Sitze gebe. Wir gingen auf diesen Vorschlag ein.
    Sie hatten vor zwei Tagen keinen andern Weg gefunden als den, den
wir auch kamen, und sich mit den Händen vorsichtig weitergetastet, bis
sie bemerkten, daß der Kanal zu Ende sei. Er wurde durch riesige
Felsquader verschlossen, die so künstlich zubehauen waren, daß man sie
für natürliche hielt. Die feinen, wohlausgepaßten Spalten, in denen sie
sich aneinander fügten, schienen natürliche Risse und Sprünge zu sein.
Der Gang erweiterte sich da, wo er aufhörte, zu einem großen,
viereckigen Raum, der einem saalähnlichen, geräumigen Zimmer glich und
längs der Wände hin mit steinernen Sitzen versehen war. Da ließen wir
uns nieder.
    Hier, an diesem unterirdischen, nur von einigem leisen Dämmerschein
erhellten Raum sahen sich der Mir und der Dschirbani zum ersten Mal.
Zunächst bekam der letztere und sein Gefährte zu trinken. Inzwischen
brannte ich einige der mitgebrachten Kerzen an, um wenigstens für kurze
Zeit so viel Licht zu machen, daß wir einander deutlich sehen konnten.
Da reichte der Mir dem Dschirbani die Hand, und dieser hielt sie fest.
Sie sahen einander an, ohne zu sprechen, ohne sich auch nur zu grüßen.
Dann setzte sich der Mir auf eine der Bänke und wandte sich an mich:
    „Hier ist nicht der Ort zu Begrüßungen zwischen Fürsten und
Heerführern. Daß wir uns sprechen und miteinander verhandeln wollten,
war eine Lüge des ‚Panther‘. Aber diese Lüge wird zur Wahrheit werden.
So verwandelt die Hand der Vorsehung das Böse in Gutes. Aber hier soll
dies nicht geschehen. Hier sind wir nicht einmal Herren unseres eigenen
Schicksals; wie könnten wir uns erdreisten, fremde

Weitere Kostenlose Bücher