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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu
überlegen. Mein Schlüssel war eben bald zu groß, bald zu klein; er
paßte in keines der Löcher. Mein kleiner Halef fühlte sich tief
unglücklich über diesen Mißerfolg. Und außerdem war er wütend über mich.
    „Wie kann man sich nur so hersetzen und die Hände in den Schoß legen
wie du, Effendi!“ rief er mir zu. „Siehst du denn nicht, wie wir uns
alle plagen?“
    „Habe ich dir befohlen, dich zu plagen?“ fragte ich ihn.
    „Nein“, antwortete er.
    „So mach deine Vorwürfe dir, aber nicht mir!“
    „Aber es muß doch etwas geschehen! Man muß doch etwas tun! Wir arbeiten! Du aber tust nichts, gar nichts!“
    „Oho!“ lachte ich. „Ich überlege!“
    Da stemmte er seine beiden Hände in die Seiten und sprach:
    „So! Du überlegst! Und machst dazu ein so dummes Gesicht, daß es mir
angst und bange um dich wird! Siehst du denn nicht ein, daß es zu gar
nichts führen kann, mit einem derartigen Gesicht zu überlegen? Wenn das
Nachdenken eines Menschen einen Erfolg haben soll, so darf er dazu
nicht das Gesicht eines Schafes oder eines Wasserfrosches machen! Ich
habe dir zwar gesagt, daß das Überlegen deine und dann die Ausführung
meine Sache ist, aber wenn du beim Überlegen nicht wenigstens ein
ebenso pfiffiges Gesicht machst wie ich bei der Ausführung, so ist es
am besten, wir vertauschen unsere Rollen, nämlich ich überlege und du
führst aus!“
    „Gut! Schön! Einverstanden, lieber Halef! Setz dich! Setz dich
sofort hierher! Auf die Stelle, wo ich gesessen habe! Und überlege du
einmal! Du wirst es schneller und besser fertigbringen als ich! Und
wenn du fertig bist und es gefunden hast, dann komme ich wieder und
führe es aus!“
    Ich nahm ihn an beiden Armen und drückte ihn auf dieselbe Stelle nieder, an der ich soeben gesessen hatte.
    „Aber, Effendi, so ist es doch nicht gemeint!“ rief er aus. „Ich wollte doch nur sagen, daß –“
    „Still!“ unterbrach ich ihn. „Still! Nicht auf das, was du sagen
wolltest, kommt es hier an, sondern auf das, was du gesagt hast! Und du
hast gesagt, daß du mit mir die Rolle vertauschen wollest. Du wollest
überlegen, und ich soll dann ausführen, was du gefunden und beschlossen
hast! So hast du gesagt, und so mag es geschehen!“
    „Aber, Sihdi, du weißt doch, daß ich gerade im Überlegen keineswegs so geübt bin, wie in andern Dingen, und daß ich –“
    „Still“, fiel ich ihm abermals in die Rede; „sei still! Daß du im
Überlegen nicht bewandert bist, das sieht man dir ja sofort an; aber du
wirst dich sehr schnell in meine Rolle finden. Wenn wir einen Spiegel
hätten, könnte ich dir zeigen, wir rasch und vollständig du dich schon
in das Schaf- und Wasserfroschgesicht gefunden hast. Es wird sogar
Leute geben, welche behaupten, daß du mich hierin schon weit
übertriffst. So bin ich überzeugt, daß du mich auch in Beziehung auf
das Nachdenken sehr bald überholen wirst. In einer halben Stunde wirst
du fertig sein. Da komme ich wieder. Bis dahin, lebe wohl!“
    Ich ging zu meinem Pferd und stieg auf.
    „So willst du mich verlassen, Sihdi?“ fragte der so unerwartet beim Wort Genommene. „Hast du dir auch die Folgen überlegt?“
    „Nein, denn das Überlegen ist ja nun nicht mehr meine, sondern deine Sache! Also, lebe wohl!“
    Ich ritt fort.
    „Allah, Wallah, Tallah! Er verläßt mich wirklich! Er hat kein Herz
für mich und meine Qual! Er hält mich an dem Wort fest, welches doch
gar nicht fest gewesen ist, sondern sofort zerrissen wird, sobald man
daran zerrt! Er will sich rächen! Sich rächen für das Schaf und für den
Wasserfrosch! Er ist nicht groß, nicht edel und erhaben! Und wenn er
wiederkommt, so wird er mich –“
    Mehr hörte ich nicht, denn ich hatte mich nun schon so weit von ihm
entfernt, daß seine Stimme nicht mehr zu mir dringen konnte. Schon bald
aber hörte ich eine andere, welche hinter mir erscholl. Als ich mich
umschaute, sah ich den Mir, der mir auf seinem köstlichen
Schimmelhengst nachgeritten kam und mir zurief, langsamer zu reiten,
damit er mich einholen könne. Ich hielt an. Als er mich erreichte,
sagte er:
    „Das ist wieder einmal eine gute Lehre, die du dem Scheik der Haddedihn erteilst. Ob sie ihm wohl Nutzen bringen wird?“
    „Ich hoffe es, obgleich es in erster Linie ganz und gar nicht meine Absicht war, gute Lehren zu erteilen.“
    „Was sonst?“
    „Ich wollte nur frei sein, weiter nichts. Ich wollte fort, weiter
nichts. Heraus aus allen diesen Fragen, die man an mich

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