25 - Ardistan und Dschinnistan II
zurückließ, als er mit euch nach der ‚Stadt der Toten‘ ritt. Es stießen noch andere Soldaten zu ihnen, die aus andern Richtungen kamen und dazu bestimmt waren, den ganzen Rand der Wüste, die nach hier führt, für jedermann so lange zu versperren, bis man als sicher annehmen kann, daß ihr verschmachtet seid. Also, es kann niemand her zu euch, um euch zu retten, kein Mensch. Und die wenigen Leute, die es hier gab, hat der ‚Panther‘ mitgenommen, als er die ‚Stadt der Toten‘ mit seinem ‚General‘ und seinen fünfzig Reitern wieder verließ.“
„Es ist also niemand mehr hier, wirklich niemand?“
„Kein einziger Mensch! Ich weiß das ganz genau, denn ich hatte doch das Wasser abzumessen, zu berechnen und zu liefern für einen jeden, der sich hier befand. Ich hatte auch die Relais zu legen, durch welche ihr und eure fünfzig Begleiter unterwegs mit Wasser versehen wurdet. Ich wußte, wann und in welcher Reihenfolge sie zurückkehren mußten. Als die ersten von ihnen eintrafen und man also annahm, daß der Streich gegen den bisherigen Herrscher von Ardistan gelungen sei, wurde ich fortgejagt. Man sagte mir, man brauche mich nicht mehr, ich könne gehen und solle mich aber ja nicht wieder sehen lassen.“
„Man kannte wohl deine Treue gegen mich?“
„Man ahnte sie, und das war genug. Ich ging, aber anders, als man gedacht hatte. Ich schaffte in der Nacht, als es dunkel war, soviel Proviant und Wasser, wie ich zu fassen vermochte, ohne daß man es merkte, mit Hilfe meiner Kamele in der Richtung nach hier in die Wüste und kehrte dann, noch ehe es Tag geworden war, mit ihnen wieder nach dem Brunnen zurück. Als ich mich dann am Morgen mit den sechs unbeladenen Tieren verabschiedete und in gerade entgegengesetzter Richtung von dannen zog, ahnte niemand, daß ich dann einen Bogen machte, um das, was ich versteckt hatte, wieder aufzunehmen und hierherzuschaffen. Nun aber sehe ich zu meiner Verwunderung und zu meiner Freude, daß ihr frei seid und gar nicht verdursten könnt, weil der Fluß ja Wasser hält. Ein Wunder, welches ich nicht glauben würde, wenn ich es nicht mit meinen eigenen Augen sähe!“
Der Mann hatte treu und klug gehandelt. Der Mir reichte ihm die Hand und sagte:
„Sei getrost! Ich werde dir dennoch alles so anrechnen, als ob du uns das Leben wirklich gerettet hättest. Du bist also wirklich überzeugt, daß sich außer uns kein Mensch hier befindet?“
„Ja, vollständig überzeugt.“
„Auch dort im Gefängnis Nummer fünf?“
„Auch dort.“
„So gehen wir aber dennoch hin, um es wenigstens einmal anzusehen.“
Wir taten es. Der Aufseher folgte uns mit seinen Kamelen. Das Tor war verschlossen; wir konnten nicht hinein. Da kletterte Halef über die Mauer und öffnete von innen. Wir gingen hinein. Der Aufseher mußte noch draußen bleiben. Er brauchte unsere Heimlichkeiten nicht zu erfahren. Die Gebäude standen leer. Sie hatten für uns kein Interesse. Unsere Aufmerksamkeit war nur auf den beweglichen Boden gerichtet, der zwischen den beiden Toren lag. Er bestand aus Holzbohlen, die mit Erde bedeckt und dann mit Sand bestreut waren. Im Hof gab es rechts und links vom Innentor zwei Räder mit den aufgewundenen Enden der Bewegungsseile. Drehte man das eine Rad, so senkte sich der Boden; drehte man das andere, so kam er wieder empor. Das war die ganze Kunst, deren Opfer wir hatten werden sollen. Wir zerschnitten beide Seile, ließen die Innenteile nach unten laufen, so daß sie verschwanden, und gruben die Enden in einen Erdhaufen ein, der in einer Ecke des Hofes lag. Nun blieb das Geheimnis denen, die es nicht kannten, auch ferner verborgen, und die Eingeweihten konnten es nicht mehr in Anwendung bringen. Hierauf riefen wir den treuen Aufseher herein. Er bekam für die jetzige Zeit seine Wohnung hier angewiesen und hatte sich unausgesetzt für uns bereitzuhalten. Für später war ihm eine lohnende Anstellung gewiß.
Weil es der Plan des ‚Panther‘ war, die Ussul und die Tschoban nach der ‚Stadt der Toten‘ zu treiben, stand uns, falls diese seine Absicht sich verwirklichte, ein Wiedersehen mit diesen unsern Freunden auf das baldigste bevor. Wo und wie sie aber unterbringen, das war die Frage, die wir uns vorzulegen hatten. Platz war in der großen, weit ausgedehnten Stadt mehr als genug vorhanden, aber es galt, sie mehr zusammenzuhalten als zu zerstreuen, und da dachte ich, daß die Zitadelle sich wohl am allerbesten hierzu eigne. Der Mir war bereit, uns sofort
Weitere Kostenlose Bücher