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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hinaufzuführen. Er versicherte uns, daß er dort einen jeden Winkel kenne, und daß wir ihm für dieses Mal Glauben schenken dürften, weil er sich da ganz gewiß nicht irre. Wir nahmen sein Anerbieten an.
    Indem wir durch viele vollständig tote Gassen und Gäßchen hinaufstiegen, betrachtete ich alles, was sich meinen Augen bot, von dem Gesichtspunkt aus, der alle örtlichen und überhaupt alle hiesigen Verhältnisse mit dem einstigen Maha-Lama-See in Beziehung brachte. Der obere Teil der Zitadelle lehnte sich an den festgeschlossenen Felsen- oder vielmehr Bergesring, dessen Inneres der See gebildet hatte. Daß die Felsen und Berge ausgehöhlt worden waren, um alle die Räume zu bilden, die wir nun kannten, hatten wir gesehen. Diese Räume konnten von den am höchsten liegenden Räumen der Zitadelle nur durch Natur oder künstliche Wände getrennt sein, die keine allzu große Stärke besaßen, und so lag der Gedanke ziemlich nahe, daß höchstwahrscheinlich irgendeine heimliche Verbindung zwischen dem Gebäudekomplex des Maha-Lama-Sees und der Zitadelle vorhanden sei. Dieser Gedanke war es, der mich nicht verließ, während wir aufwärts stiegen, durch das hohe, weite, flügellose Tor der Zitadelle schritten und uns dann vom Mir durch alle Räume derselben, die er kannte, führen ließen.
    Es kann nicht meine Absicht sein, die Festung zu beschreiben, so interessant dies auch wäre. Es genügt, zu sagen, daß sie für das, wozu wir sie unter Umständen brauchten, sich ganz vortrefflich eignete. Aber eine kleine Episode, die mir großen, heimlichen Spaß bereitete, will ich doch nicht übergehen. Sie ereignete sich, als wir uns in demjenigen Teil der Zitadelle befanden, dessen Räume höchstwahrscheinlich die Wohnung des obersten Befehlshabers gebildet hatten. In einem dieser schöngelegenen und hochgebauten Zimmer sah ich etwas, was meine Aufmerksamkeit sofort auf sich zog, obgleich ich nichts davon sagte. Es gab da nämlich in der dem Fenster gegenüberliegenden, aus großen Quadern gebildeten Wand genauso eine Sonne, wie ich von der Türe des sogenannten ‚Portier-‘ oder ‚Verwaltungsraumes‘ beschrieben habe. Ich war sofort überzeugt, daß hier die vermutete Verbindung mit dem Maha-Lama-See gefunden sei.
    Von den Fenstern dieser Wohnung aus hatte man einen überaus weiten Blick auf diese Seite der Stadt und ihre Umgebung. Sie lag im vollen Sonnenglanz unter uns. Am hellsten aber glänzten die vielen, vielen Stellen des Flusses, an denen das Wasser zutage getreten war. Erst von hier oben aus erkannte man, wie zahlreich und wie bedeutend diese Lachen waren, welche nicht etwa totstehendes, sondern lebendiges Wasser hatten. Wir standen alle beieinander, schauten hinab und freuten uns über diesen Anblick.
    „Wenn das so bliebe!“ sagte der Erstgeborene der Tschoban. „Dann wäre die Wüste der Kultur zurückgewonnen.“
    „Es bleibt!“ behauptete der Dschirbani in einem so sichern Tone, als ob er es sei, der zu bestimmen habe. Die Augen des Mir aber waren groß geworden, sie schimmerten feucht.
    „Weißt du, Effendi, was du vorhin sagtest, unten am Ende des Kanals?“ fragte er mich.
    „Welches Wort meinst du?“ antwortete ich.
    „Du sagtest: ‚In allem, was geschieht, liegt göttliche Berechnung. Vielleicht erfahren wir eher, als wir ahnen, warum dieses Wasser gerade uns und gerade jetzt gesendet wird!‘ Nur kurze Zeit ist vergangen, seitdem du das sagtest, und schon geht es in Erfüllung. Dieses Wasser ist gekommen, um das Heer der Ussul und Tschoban zu retten, welches rettungslos verloren wäre, wenn es nichts zu trinken fände. Die Wege der Vorsehung sind wunderbar! Hattest du keine Angst um deine Truppen, als du den Zisternenwächter sprechen hörtest?“
    Diese Frage war an den Dschirbani gerichtet. Er antwortete:
    „Nein. Der Scheik der Tschoban ist bei meinem Heer, und in meiner Abwesenheit führt mein vorsichtiger, tapferer Irahd, der Hauptmann der Hukara, den Oberbefehl. Der läßt sich nicht überlisten.“
    „Wirklich nicht? Hast du dich nicht auch überlisten lassen?“
    „Nein.“
    „O doch! Verzeih! Hat dich der ‚Panther‘ nicht verleitet, hierherzugehen?“
    Da griff der Dschirbani unter sein Gewand, zog ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche und antwortete lächelnd:
    „Ich habe bisher geschwiegen, weil es mir heilig und teuer war; nun aber soll wenigstens der Ssahib es sehen, damit nicht auch er mich für unvorsichtig halte. Ich bekam dieses Papier durch einen Boten,

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