Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
weiter auf und fuhr fort: „Sind sie da? Sind sie eingetroffen?“
    „Ja, sie sind da“, nickte ich.
    „Hier? Auf der Landenge?“
    „Ja, hier! Ganz genauso, wie sie es beschlossen hatten.“
    „Und ihr? Was habt ihr getan? Wir hörten Schüsse fallen und Menschen schreien!“
    „Wir haben sie nur bis zur Mitte des Engpasses kommen lassen. Nun sitzen sie da fest. Vor ihnen haben wir das Felsentor besetzt. Sie können weder vor noch rückwärts. Die brandende See hat den Fluß mit Wasser gefüllt, und an den beiden Durchgängen brennen Feuer, durch die kein Mensch zu kommen vermag. Die Tschoban haben im Orkan einen entsetzlichen Marsch gehabt. Sie sind vor Hunger und Durst beinahe verschmachtet. Das Pferd deines Vaters fiel vor Erschöpfung um –“
    „Meines Vaters?“ unterbrach er mich da schnell. „Mein Vater ist dabei? Er selbst?“
    „Er selbst.“
    „So ist mein Bruder daheimgeblieben! Dadurch ist das Land und das Volk in die Hand dieses Knaben gegeben! Ich bin gefangen! Mein Vater steht ebenso in Gefahr, ergriffen zu werden! Dann wird es ja ganz anders kommen, als – als –“
    Er vergaß, daß sein Fuß verletzt war; er wollte aufspringen, fiel aber mit einem Schmerzensschrei in sich zusammen. Da ballte er die Faust, schüttelte sie mir drohend zu und knirschte:
    „Daran bist nur du allein schuld, nur du, nur du! Christenhund, verfluchter und verdammter!“ Sein Gesicht war, als er das sagte, nicht allein häßlich, sondern von einer geradezu abstoßenden Widerlichkeit. „Was habt ihr vor mit den Tschoban?“ brüllte er mich an. „Was werdet ihr tun? Heraus damit!“
    Ich brauchte ihm nicht zu antworten; ich konnte einfach gehen. Aber ich hatte ein ganz eigentümlich geartetes Mitleid mit diesem jungen, reich begabten, aber vollständig un- oder falsch erzogenen Menschen und gab ihm also in aller Ruhe die so stürmisch geforderte Auskunft:
    „Wir wollen euch besiegen, ohne daß ein Tropfen Blutes fließt. Ergeben sich die Tschoban freiwillig, so sind wir bereit, einen Frieden mit ihnen zu schließen, der beiden Teilen gleichgroßen Nutzen bringt. Ergeben sie sich aber nicht, so bleiben sie hier ohne Wasser und Nahrung eingeschlossen, bis sie verschmachten.“
    „Alle?“ fragte er in grimmigem Tone.
    „Alle! Vom ersten bis zum letzten!“
    „Hund!“ knirschte er. „Und das nennt sich einen Christen! Ich muß mit meinem Vater sprechen! Schafft mich hinaus zu ihm!“
    „Du bleibst!“ antwortete ich.
    „So bringt ihn zu mir herein! Aber vor dem Friedensschluß! Verstanden? Vorher, vorher! Ich befehle es dir!“
    „Wurm!“
    Ich sagte nur dieses eine Wort, aber es war genug. Zwar wollte er in seinem ungezügelten Temperamente noch zorniger losbrausen als bisher, aber seinen Gefährten wurde es angst um ihn, um sich selbst und auch um das Schicksal ihrer Kriegerschar, die sich in einer Lage befand, welche die größte Vorsicht erheischte. Sie sagten ihm das, sprachen besänftigend auf ihn ein und beschworen ihn, sich zu beherrschen. In einer Situation, wie die jetzige sei, komme man mit Freundlichkeit viel weiter als mit Gehässigkeit und Beleidigungen. Er hörte sie mit gesenktem Haupt an, so daß ich sein Gesicht nun gar nicht sah. Plötzlich hob er es empor. Es war ein ganz anderes geworden. Es glänzte vor lauter Wohlwollen. Und seine Stimme klang weich und gewinnend, als er sagte:
    „Ihr habt recht! Ich war ein Tor! Mein schneller Zorn übermannt mich allzuoft. Ich bitte Euch, mich zu stützen, daß ich mich erheben kann. Ich will im Stehen zu dem Effendi sprechen. Mein hoher Stand und die Achtung, die er von uns fordern kann, gebieten das!“
    Man hatte ihm den Beinamen ‚Panther‘ mit allem Grund gegeben. In dem einen Augenblicke fauchend, drohend, die Zähne knirschend und fletschend, im nächsten Moment samtweich! Er richtete sich mit Hilfe seiner beiden Mitgefangenen auf. Er konnte nur mit einem Fuß stehen. Darum stützte er sich mit den Armen auf die Schulter des einen, der neben ihm stand, und kniete mit dem verletzten Fuß auf die Achsel des andern, der sich niedersetzen mußte. Inzwischen sah ich mich in dem Raum schärfer um, als ich bisher getan hatte. Ich kehrte meinen Rücken dem Ausgang zu, hatte also den hinteren, dunklen Teil der Felsenspalte vor mir. Ich stand nur erst einige kurze Minuten hier, aber meine Augen hatten sich doch bereits an dieses Dunkel gewöhnt. Ich sah, daß die beiden aneinanderliegenden Steine, welche die Spalte bildeten, sich nicht

Weitere Kostenlose Bücher