25 - Ardistan und Dschinnistan II
gewöhnliches, sondern ein edles Weib. Sie denkt sich den Ruhm und die Ehre auch wieder als Mittel, und zwar zu einem noch viel höheren Zweck. Und dieser Zweck ist das Glück aller derer, über die du einst zu herrschen gedenkst, mit einem anderen Worte – der Friede.“
„Was sagst du da?“ rief er erstaunt. „Fast ihre eigenen Worte! Für mich ist der Krieg nicht um des Krieges, sondern um ganz anderer Dinge willen da. Die Seligkeit der Christen liegt im Himmel, also jenseits des gegenwärtigen Lebens. Ihr trachtet nach dem Frieden mit Gott, nach dem ewigen Frieden. Der Islam aber trachtet vor allen Dingen nach der irdischen Seligkeit, also nach dem Frieden aller Völker, der auch schon diesseits des einstigen Lebens liegt. Und diesen Frieden erlangt man weder durch menschenfreundliche Gottesdienste und Gebete noch durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit, sondern man hat ihn sich zu erkämpfen; man hat die, welche ihn nicht wollen, zu zwingen, Frieden zu halten! Für mich ist der Krieg also das größte Friedenswerk, welches es auf Erden gibt. Euer Christentum ist fast zweitausend Jahre alt, aber noch keinem einzigen Volk hat es den Frieden gegeben, obgleich es gleich sein erstes Wort durch die Friedensposaune blies. Ich aber, der Moslem, werde nicht vom Frieden sprechen, kein einziges Wort vom Frieden. Ich werde vielmehr die Faust des Krieges ballen, um mit ihr den Krieg zu zerschmettern und zu vernichten! ‚Auge um Auge, Blut um Blut‘, das ist das harte, aber unendlich gerechte Gesetz des Islam. ‚Der Mörder werde ermordet!‘ Der Krieg, dieser scheußlichste aller Mörder, die es gegeben hat und jetzt noch gibt, unterliegt demselben Gesetz wie jeder andere Mörder. Und weil es Selbstmord ist, wenn die Menschheit sich selbst zerfleischt, so erfordert die göttliche Gerechtigkeit, daß auch der Krieg an sich selbst zugrundegehe, am Selbstmord, am tödlichen Schuß oder Stich in die eigene, atmende Brust! Verstehst du das, Effendi?“
Was war denn das? Dieser junge Mensch hatte nachgedacht, und zwar tief, sehr tief! Und wie begeistert er jetzt vor mir stand! Seine Wangen glühten, und seine Augen leuchteten. Die Züge seines Gesichtes schienen ganz andere geworden zu sein; sie waren wie verklärt. Vorhin hatte er mich förmlich angewidert und angeekelt, und jetzt war es mir, als ob ich ihm die Hand drücken und ihn liebhaben müsse.
„Ich verstehe es“, antwortete ich; „es sind dieselben Gedanken, die auch in mir nach Geltung riefen, als es noch keine Klarheit in mir gab.“
„Klarheit?“ fragte er. „In mir ist alles klar. Darum haben sie bei mir die bleibende Stätte gefunden, die sie bei dir unmöglich finden konnten, denn du bist auch noch heut nicht in dir klar. Dein Christentum erlaubt dir nicht –“
Er konnte nicht weitersprechen; er wurde unterbrochen. Der Eingang verdunkelte sich. „Ssahib!“ rief es hinter mir, und als ich mich umdrehte, sah ich den Dschirbani vor der Spalte stehen, der mir sagte, daß er mich sprechen wolle. Ich verabschiedete mich mit einigen kurzen Worten von dem Prinzen und folgte dem Wunsch unseres Oberstkommandierenden, der, als wir uns weit genug, um nicht gehört zu werden, von dem Felsenriß entfernt hatten, mir die ebenso überraschende wie wichtige Mitteilung machte:
„Die Dschunub kommen!“
„Die Dschunub?“ fragte ich. „Welche Dschunub?“
„Das ganze Heer!“
„Wann?“
„In einigen Stunden schon!“
„Gott sei Dank!“
„Gott sei Dank?“ fragte er überrascht. „Ich glaubte nicht, dir eine Freudenbotschaft zu bringen!“
„Es ist aber eine!“
„Wirklich? Wir sind doch mit den Tschoban noch lange nicht zu Ende! Und das muß doch geschehen sein, wenn es uns gelingen soll, die Dschunub zu überwältigen.“
„So beeilen wir uns! Du sprachst von einigen Stunden; das ist eine lange Zeit für den, der gelernt hat, diese Zeit zusammenzunehmen. Von wem hast du erfahren, daß und wann sie kommen werden?“
„Der Sturm hatte es ihnen verboten, untätig in der Wüste liegenzubleiben. Er hätte ihr Lager mit seinem Sand verschüttet. Sie konnten dem nur durch möglichst schnelle Bewegung entgehen. Sie brachen auf und folgten ihren vorangerittenen Offizieren in viel kürzerer Zeit, als vorher bestimmt worden war. Aber der Ritt war fürchterlich. Der Wind trank ihnen das Wasser aus den Schläuchen und die Kraft aus den Knochen von Mensch und Tier. Die Müdigkeit überwältigte sie. Sie mußten wiederholt rasten und blieben endlich
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