25 - Ardistan und Dschinnistan II
Wirklichkeit“, antwortete er.
„Wie war sie gekleidet?“
„Weiß, nur weiß.“
„Stand dein Zimmer offen?“
„Ja. Ich hatte den Stein nicht zugeschoben, um den Weckruf nicht zu überhören. Noch nie habe ich einen solchen Traum gehabt, der so deutlich war, daß mich als ich erwachte, dünkte, als ob der süße Duft der Weidenblüte mein Lager noch immer umschwebe. Ich frage mich sogar, ob es nicht vielleicht kein Traum, sondern ein wirkliches Gesicht gewesen ist.“
Ob Wirklichkeit oder Traum, das hätte ich ihm wohl sagen können, doch hütete ich mich, dies zu tun. Nachdem sie ihn verlassen hatte, hat sie ihr Weg bei mir vorübergeführt und war von mir gesehen worden. Die Sehnsucht, ihren Sohn nur ein einziges Mal berühren zu dürfen, war größer gewesen als die Vorsicht, zu der sie auf alle Fälle verpflichtet worden war. Wo befand sie sich jetzt? War sie dort geblieben? Diese Frage wollte sich mir aufdrängen; ich wies sie aber von mir ab, da ich keine Berechtigung und auch keinen triftigen Grund besaß, mich mit ihr zu beschäftigen oder etwa gar sie lösen zu wollen. Mein Schweigen fiel mir nicht schwer, denn er brach von diesem Thema ab und ging auf andere Gegenstände über. Einer der Hauptpunkte, die er erwähnte, waren die Relais, ich möchte sogar sagen Postrelais, welche er vom Land der Ussul bis nach Ard gelegt hatte. Sie standen in der Entfernung von je zwei Reitstunden auseinander und ermöglichten mit der Heimat eine Verbindung, welche den Verhältnissen angemessen als eine sehr schnelle und sichere bezeichnet werden konnte. Es verstand sich ganz von selbst, daß diese Verbindung von Ard auch nordwärts, je nachdem wir weiter vorrückten, herzustellen war.
Am nächsten Tag zog der Dschirbani mit seinen Truppen ab, um in die Mitte der Aufstellung einzurücken. Der Mir blieb noch drei Tage, und wir mit ihm, nämlich Halef und ich; er wünschte nicht, sich von uns zu trennen. Uns war das recht. Da in seinen Händen alle Fäden zusammenliefen, wurden wir bei ihm am allerbesten auf dem laufenden erhalten.
Während dieser drei Tage ging zweimal wichtige Nachricht von dem Heer ein. Das eine Mal meldete der Dschirbani und das andere Mal der Schech el Beled, daß ein Bote aufgegriffen worden sei, den der ‚Panther‘ an den Basch Islami nach Ard geschickt habe. Natürlich wurden uns diese beiden Boten zugeführt und von dem Mir noch einmal ganz besonders vernommen. Der erste hatte zu berichten, daß der ‚Panther‘ glücklich bei seinem Heer eingetroffen sei und die Operationen sofort beginnen werde. Er befinde sich noch in der gutbebauten Provinz Schimalistan, wo ihm die Unterhaltung seiner Truppen keine Sorge bereite. Später aber, wenn er über dieses hinaus und in das hochliegende, ganz entwässerte und also kaum Gras produzierende Bergland eingedrungen sei, müsse er sich auf die Pünktlichkeit der Lieferungen verlassen, die er mit dem Basch Islami vereinbart habe. Der zweite Bote sollte dem letzteren sagen, es sei durch Kundschafter festgestellt, daß der Mir von Dschinnistan mit seinen schwarzgepanzerten Scharen schon bis über den Dschebel Allah herabgekommen sei und sich nicht mit ihm, dem ‚Panther‘, verbinden wolle, sondern dem alten Mir von Ardistan zu Hilfe eile. Aber das schade nichts, sei vielmehr vorteilhaft für das neue Regiment, welches sich durch einen schnellen und energischen Sieg über Dschinnistan das Vertrauen und die Dankbarkeit von ganz Ardistan wie im Nu erringen werde. Der Mir von Dschinnistan scheine lächerlicherweise nur Kavallerie zu haben, und zwar die leichteste, die man sich denken könne. Ardistan suche ganz im Gegenteil hiervon seine Überlegenheit in den schweren Truppen, besonders in der Artillerie, die man nur aufzustellen brauche, um sich die windigen Reiter von Dschinnistan vom Leib zu halten und sie einfach niederzuknallen. Man werde den Feind sofort bis an den Fuß des Dschebel zurücktreiben und ihn dort vollständig vernichten.
Auf diese Nachricht hin erkundigte ich mich bei dem Mir nach diesem wichtigen Berg, von dem ich bei Marah Durimeh gelesen hatte, ohne aber nähere Details zu erfahren. Er antwortete:
„Der Dschebel Allah ist der südlichste Vulkan von Dschinnistan, gehört aber nur geologisch, nicht auch politisch zu ihnen, denn er liegt nicht in Dschinnistan, sondern an der Grenze zwischen El Hadd und Ardistan. Er hat seit Menschengedenken keinen Ausbruch mehr gehabt; in diesem Jahr aber erglüht auch er, doch nur in friedlichem
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