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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ungeduldig, als daß er auch nur fünf Minuten hätte warten können. Es war noch nicht die Hälfte dieser Zeit vergangen, so rief er hastig aus:
    „Wie lange soll das Schweigen dauern? Beginnen wir doch! Ich bin der Mir von Ardistan.“
    Halef blieb still.
    „Hast du es gehört?“ fragte der ‚Panther‘. „Ich bin der Mir von Ardistan.“
    Halef blieb immer noch stumm.
    „Bist du taub?“ fuhr sein Gegenüber fort. „Ich habe dir gesagt, daß ich der Mir von Ardistan bin!“
    Da endlich schüttelte Halef langsam, sehr langsam seinen Riesenturban, hob ebenso langsam seine Arme empor und sprach:
    „O Allah, Allah, wie lange soll es Leute geben, die nicht schweigen können, sondern es so eilig haben, durch ihre Schwatzhaftigkeit in alle Welt hinauszuposaunen, daß sie verrück geworden sind. Ich komme mit meinen 163.000 Fußgängern, 290.000 Reitern und 385.000 Kanonen und Haubitzen soeben und direkt aus Ard, der Hauptstadt von Ardistan, um einen armseligen Lügner, Betrüger und Rebellen in die Luft zu blasen. Man hat mich dort zum Mir von Ardistan gewählt. Man hat mich auf den Thron gesetzt und mich mit Krone, Zepter und Säbel zum einzigen und alleinigen Herrscher des Reiches erhoben, und hier setzt sich nun so ein Frosch gerade vor mich hin und quakt mir in die Ohren, daß ich nicht der Mir von Ardistan sei, sondern er!“
    Als Halef zu sprechen begann, hatte der ‚Panther‘ aufgehorcht, denn der Hadschi gab sich keine Mühe, seine Stimme zu verstellen. Jetzt aber fuhr der erstere mit der Hand nach dem Gürtel, in dem er aber jetzt keine Waffen mehr hatte, und fragte:
    „Wen meinst du mit dem Frosch?“
    „Dich!“ antwortete Halef sehr ruhig und sehr aufrichtig.
    Da sprang der ‚Panther‘ von seinem Sitz empor, streckte ihm die geballten Fäuste entgegen und schrie:
    „Hund! Sei froh, daß wir ohne Waffen sind. Denn wäre das nicht der Fall, so würde ich dich niederschießen wie einen räudigen Schakal oder eine stinkende Hyäne. Du bist mir überhaupt ein widerwärtiger Kerl. Du hast die Gestalt und Stimme eines Bekannten von mir, welcher von allen Dummen und Dümmsten der Erde der Allerdümmste ist. Hüte dich! Sonst ergeht es dir genauso, wie es ihm ergangen ist!“
    „Und wie erging es ihm??“ fragte Halef.
    „Ich ließ ihn einsperren. Er ist verhungert und verdurstet. Er ist verschmachtet unter tausend Qualen. Willst du etwa dasselbe Schicksal erleiden, welches er erlitten hat?“
    „Ja, das will ich allerdings! Ich kann überhaupt kein anderes Schicksal erleiden als das seinige. Und ich bin mit diesem seinem und meinem Schicksal ganz ebenso zufrieden wie er. Denn erstens sieht er gar nicht so verhungert und verdurstet aus, wie du denkst, und zweitens ist er Mir von Ardistan geworden und wird dir zeigen, wer und was du bist. Da, schau her!“
    Er hob den Schleier empor und warf ihn nach hinten über den Turban, so daß sein Gesicht frei wurde. Der ‚Panther‘ stand im Begriff, sich wieder niederzusetzen, schnellte aber sofort nochmals empor und rief aus:
    „Der Haddedihn, der verdammte, neunmal verdammte Ha –“
    Er brach mitten im Worte ab. Der Schreck, der ihn ergriffen hatte, ließ ihn nicht weitersprechen. Er ließ sich langsam, langsam wie einer, der in sich zusammenbricht, auf die Erde nieder, senkte den Kopf, legte die Hände vor das Gesicht und blieb still. Halef hatte kein Verständnis für so tiefe, innerliche, gewaltige Erregungen; er wandte sich zu uns und sagte:
    „Hatte ich nicht recht, als ich ihn einen Frosch nannte? Bald springt er auf, bald springt er nieder; bald bläst er sich auf, bald fällt er wieder zusammen. Und das ist so frech, sich auch einen Mir von Ardistan zu nennen?“
    Ich gab ihm einen stillen Wink mit der Hand; da sprach er nicht weiter. Der ‚Panther‘ tat, als habe er die Worte des Hadschi gar nicht gehört. Vielleicht waren sie auch wirklich an seinem innern Ohr vorübergegangen, ohne vernommen zu werden. Aber nach einiger Zeit ließ er die Hände sinken, richtete den Kopf empor, sah uns einen nach dem anderen an und blieb dann mit seinem Blick an Hadschi Halef hängen. Sein Gesicht war bleich geworden; das sah man trotz der von der Sonne verbrannten Haut. Aber der Schreck war vorüber, war vollständig überwunden. Die Züge veränderten sich zusehends. Sie nahmen nach und nach einen lauernden Ausdruck an, etwas gewiß und wirklich Panthermäßiges. Und als er sodann sprach, verriet seine Stimme nicht die geringste Spur von Erregung,

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