25 - Ardistan und Dschinnistan II
Kleinheit seiner Gestalt in so hohem Grad beleidigt, daß er nicht gleich Worte fand, die ihm kräftig genug erschienen. Außerdem wurde seine Aufmerksamkeit ganz ebenso wie die unserige dadurch abgelenkt, daß der Himmel sich plötzlich verfinsterte, obgleich wir keine Wolke sahen, die unter der Sonne vorüberging. In demselben Augenblick erhob sich ein scharfer Wind, der keine bestimmte, feste Richtung zu haben schien und den Sand und Staub nach allen Seiten trieb.
„Zu den Pferden!“ rief ich aus. „Schnell zu den Pferden! Nehmt die Zügel kurz an den Mäulern, und haltet sie fest, sehr fest! Weit auseinander mit ihnen, damit sie einander nicht schlagen! Mir scheint, die Erde will beben!“
Unsere Leute sprangen sofort auf und taten, wie ich gesagt hatte; die Begleiter des ‚Panther‘ aber blieben an ihren Plätzen. Er lachte höhnisch auf und rief:
„Erdbeben! Ja, wenn man Memmen und Feiglingen eine Schlacht, eine wirkliche Schlacht anbietet, so machen sie nicht mit, indem sie vorgeben, die Erde wolle beben! Schande über euch, dreifache Schande, Schande!“
Jetzt, nach dieser noch größeren Beleidigung, wollte Halef dreinfahren; da aber rief ihm der wirkliche Mir zu:
„Ich bitte dich, schweig! Das Wort ‚Schlacht‘ ist gefallen, dadurch wird alles anders als wir dachten und als wir wollten. Von nun an spreche ich selbst!“
Er entfernte den Schleier von seinem Gesicht, trat vor den ‚Panther‘ hin und fragte:
„War das dein Ernst? Bist du bereit zur Schlacht?“
Der Gefragte wich einige Schritte zurück. Mochte er geahnt haben oder nicht, wer wir waren, in diesem Augenblick erschrak er doch. Auch wir anderen nahmen die Verhüllungen weg, so daß er sah, wer wir waren.
„Alle sind entkommen, alle!“ knirschte er.
Er wich noch einige weitere Schritte zurück, betrachtete uns aus haßerfüllten Augen, zog sich zusammen wie eine Katze, die zum Sprung ausholt und richtete dann die Worte an den Mir:
„Wirst du mir die Wahrheit sagen, wenn ich dich frage?“
„Leute deiner Art belügt man nicht“, antwortete der Herrscher stolz.
In diesem Augenblicke begann es zu donnern. Ob unter oder über der Erde, das wußte man nicht.
„Sind wirklich die Lanzenreiter von El Hadd bei euch?“ erkundigte sich der ‚Panther‘.
„Ja“, nickte der Mir.
„Wie viele?“
„Zähle sie in der Schlacht!“
„Und die Lanzenreiter von Halihm?“
„Ja.“
„Habt ihr Wasser für so viele?“
„Für noch viel mehr!“
„Allah verdamme euch! Mich aber wollt ihr durch den Hunger und vor allen Dingen durch den Durst besiegen?“
„Ja.“
„Ich bin von aller Zufuhr abgeschnitten! Ich habe kein Wasser! Ich muß elend verschmachten, ganz so, wie ich euch verschmachten lassen wollte in der ‚Stadt der Toten‘! So denkt ihr jetzt. Aber ihr irrt. Ihr kennt mich nicht. Ich hole mir Wasser, und ich hole mir Brot. Und wißt ihr, wo? Bei euch! Habe ich zu dem Haddedihn vorhin ironisch von einer Schlacht gesprochen, so mache ich jetzt Ernst. Ich lade dich zur Schlacht, zur Verzweiflungsschlacht zwischen mir und dir. Nimmst du sie an?“
„Ja“, antwortete der Mir.
„Morgen?“
„Ja.“
„Wo?“
„Wo ich dich treffe.“
Da donnerte es abermals. Das klang, als sei es nicht nur oben am Himmel, sondern auch unter der Erde. Die Pferde unserer Gegner begannen zu schnauben und unruhig zu werden. Da zeigte der ‚Panther‘ nach Norden, wo die drei Kuppen des Dschebel Allah hoch emporragten, und fuhr fort:
„Diese Schlacht, die zwischen dir und mir entscheidet, sei dort, am Fuß des Dschebel Allah. Morgen früh, beim Beginn des Tages. Ist es dir recht?“
„Ja.“
Da ging, so schnell wie ein Blitz, ein dünnes, scharfes Geräusch unter uns hinweg, wie wenn eine Eisfläche, auf der man steht, einen jähen, sich weit fortpflanzenden Riß bekommt, und zugleich war es, als ob wir in einer Schaukel ständen, welche anfangen wolle, sich zu bewegen. Die Pferde wurden ängstlicher.
„So ist es denn als abgemacht betrachtet!“ setzte der ‚Panther‘ seine Rede fort. „Morgen früh, sobald es hell genug geworden ist, den Freund vom Feind zu unterscheiden.“ Und mit einem Hohn sondergleichen fügte er hinzu: „Ich hoffe, daß du kommst! Denn das war wohl nicht sehr heldenhaft von euch, mich durch Hunger und Durst besiegen zu wollen. Nicht euer Wasser soll entscheiden, sondern das Schwert!“
„Nein, weder das Wasser noch das Schwert, weder du noch ich soll entscheiden, sondern ein Höherer!“
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