25 - Ardistan und Dschinnistan II
schwindet der Boden unter den Füßen weg, und so etwas will ich nicht wieder erleben! Der ‚Panther‘ hat uns die Schlacht angetragen, ganz so, wie in früherer Zeit die großen Helden taten. Wir werden also später von einer ‚Schlacht am Dschebel Allah‘ erzählen können. Aber glaubst du, daß er Wort hält?“
„Nein“, antwortete ich.
„Nicht? Hast du Gründe hierzu?“
„Sehr triftige.“
„Ob du dich da nicht irrst? Er ist doch gezwungen, mit uns zu kämpfen. Er muß doch verdursten, wenn er kein Wasser bekommt. Und das kann er sich nur bei uns holen. Er selbst hat es gesagt.“
„Grad weil er es gesagt hat, glaube ich es nicht. Es gibt Wasser, und zwar gar nicht weit von hier.“
„Wo?“
„Gleich jenseits des Dschebel Allah. Alle diese Berge, die uns als kahl erscheinen, auch der Dschebel Allah, sind nur nach Süden kahl, also nach der Seite, von welcher die Einflüsse von Ardistan zerstörend wirken konnten. Das habe ich in den Büchern Marah Durimehs gelesen und auch aus ihrem eigenen Mund gehört. In den Schluchten jenseits des Dschebel Allah gibt es fließendes Wasser; nur kann es nicht hier herüber in dieses vertrocknete und verschmachtete Land. Es sollte mich wundern, wenn der ‚Panther‘ das nicht ebensogut und noch besser wüßte als ich, der Fremde.“
„Er weiß es“, fiel der Basch Islami ein. „Ich selbst habe mit ihm darüber gesprochen und ihn darauf aufmerksam gemacht.“
„So will er hinüber! Zunächst nur, um zu Wasser zu kommen, um sich das Leben zu retten. Sodann aber auch aus anderen, sehr triftigen Gründen. Er glaubt, die Scharen des Mir von Dschinnistan fliehen vor ihm. Er muß ihnen nach, um sie zu strafen. Er weiß, daß die Lanzenreiter von El Hadd und Halihm bei uns sind; er glaubte also, daß ihr Land von Verteidigern entblößt sei; er meint, es mit einem schnellen Streich in seine Gewalt bringen und besitzen zu können –“
„Richtig, sehr richtig!“ stimmte der Dschirbani mir bei. „Bekommt er El Hadd, so sitzt er im warmen Nest; wir aber halten hier am kahlen Dschebel Allah und können nicht hinüber. Denn den einzigen Weg, der nach seiner Meinung hinüberführt, wird er mit Geschützen besetzen. Darum erkundigte er sich besonders und angelegentlich, ob die Lanzenreiter bei uns seien. Auch ich bin der Ansicht, daß er von der Schlacht nur gesprochen hat, um sie zu vermeiden. Kehren wir nach dem Lager zurück, und lassen wir den Schech el Beled und Abd el Fadl kommen, um mit ihnen zu beraten!“
Dieser Vorschlag wurde ausgeführt. Die beiden Genannten trafen gegen Abend ein. Als wir ihnen Bericht erstattet hatten, zeigte es sich, daß sie derselben Ansicht waren, wie der Dschirbani und ich. Wir besprachen uns auf das Ausführlichste mit ihnen, und als sie dann wieder fortritten, wußte ein jeder von uns, wie er sich auf alle Fälle, sie mochten kommen, wie sie wollten, zu verhalten hatten.
Die Erdstöße hatten in mir ein ganz eigenartiges Gefühl hinterlassen. Man denke sich einen hohlen, leichten Gummiball, der auf leise bewegtem Wasser schaukelt, auf diesem Ball sitzt eine Fliege, die das Schaukeln spürt, weil sie es mitzumachen hat. Den Ball als Erde gedacht, war ich die Fliege. Ich hatte die Empfindung, als ob in jedem Augenblick etwas unter mir umkippen und zerplatzen könne. Und, eigentümlich, meinem kleinen Hadschi erging es genau ebenso wie mir. Er kam, es mir zu beschreiben.
„Paß auf, Effendi“, sagte er, „hier am Dschebel Allah geschieht etwas; wir erleben etwas! Und wenn der ‚Panther‘ sich alle mögliche Mühe gibt, uns zu überlisten und uns zu entkommen, so gibt es doch einen, den er nicht überlistet und dem er nicht entkommt. Dieser eine ist der Emir es Salsale (Herr des Erdbebens, nämlich Gott), der nicht mit sich spotten läßt. Mag der ‚Panther‘ es mit der ‚Schlacht am Dschebel Allah‘ ernst oder hinterlistig gemeint haben, er hat es gewagt, sie anzurufen und wird sie haben, wenn auch anders, ganz anders, als er denkt!“
Es war, als ob in diesen Worten des Hadschi etwas Prophetisches gelegen habe. Von diesem Augenblick an spitzten sich die Ereignisse derart zu, als ob die Vorsehung, die hoch über allem menschlichen Ermessen steht, beschlossen habe: Der ‚Panther‘ hat die Schlacht herbeigerufen; er soll sie haben!
Man vergegenwärtigte sich die Aufstellung der beiden Heere, die an der Grenze von El Hadd einander gegenüberlagen. Diese Grenze wurde durch einen hohen, schroffen Gebirgszug
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