25 - Ardistan und Dschinnistan II
noch einen. Da wandte sich der Schech el Beled, der aufmerksam in die Nacht hinausgehorcht hatte, mit den Worten zu uns:
„Ja, es sind Kanonen! Die Triumphschüsse des ‚Panther‘! Ich wollte es nicht glauben; nun aber höre ich, daß es doch wahr gewesen ist. Ich bekam nämlich eine Meldung, die ein ‚Schwarzgewappneter‘ des Mir von Dschinnistan meinen Vorposten überbrachte. Nämlich als der reitende Vortrab des ‚Panther‘ den Berg erstieg, um der nachfolgenden Artillerie den Weg zu bereiten, wichen die Schwarzen nur langsam zurück, um so viel wie möglich zu sehen und zu hören. Diese Absicht gelang ihnen gut. Sie erlauschten viele laute Zurufe, auch Reden und kurze Gespräche. So hörte man auch, daß der ‚Panther‘ den Befehl erteilt hatte, sobald der Rückzug gelungen ist, dreimal zehn Kanonenschüsse abzugeben.“
„Zu welchem Zweck?“ fragte der Mir.
„Wahrscheinlich uns zu verhöhnen“, antwortete Halef.
„Oder um uns glauben zu machen, daß er noch unten sei und die Schlacht beginne. Also, um uns zu verwirren“, meinte der Dschirbani.
„Das ist das richtige“, stimmte der Schech el Beled bei. „Dieser Augenblick fällt in die Zeit des Morgengrauens, für welche der Anfang des Kampfes vorausgesagt und vereinbart worden ist. Und die, welche belauscht wurden, haben es deutlich gesagt und sich darüber lustig gemacht, daß wir uns durch diese Schüsse täuschen lassen und denken werden, die Schlacht habe begonnen. Wir sollen Dummheiten machen und uns dann schämen und ärgern. Tor, dieser Mensch! Dreimal zehnmal Tor! Es gibt weder hier unten noch dort oben einen, der sich von ihm irremachen läßt; das wird er bald erfahren! Seien wir jetzt still, bis die dreißig Schüsse gefallen sind! Ich glaube nicht, daß dann wir zu antworten brauchen!“
Während wir nun warteten, wurde es da oben gegen Dschinnistan vollständig finster. Über uns hatte der Himmel eine bleierne Farbe gehabt. Das sah so schwer, so lastend aus, als ob er zusammenbrechen wolle. Nun aber wurde er dunkel und immer dunkler. Bald wurde dieses Dunkel so dicht, daß man es nur noch als Schwärze bezeichnen konnte. Ich hielt mir die Hand in einem Abstand von vielleicht zwanzig Zentimetern vor die Augen und konnte sie nicht sehen. Das war unnatürlich. Mein und Halefs Pferd wieherten leise. Sie baten uns dadurch, sie doch zu uns zu lassen. Wir erfüllten ihren Wunsch und holten sie. Da legten sie sich bei uns nieder und blieben in der nächstfolgenden, schrecklichen Stunde im Vertrauen auf ihre Herren so ruhig liegen, daß es nur eines freundlichen Wortes oder Streichelns bedurfte, sie zu beschwichtigen, wenn die Angst sie erfassen wollte.
Kaum hatten wir diese unsere köstlichen, unersetzlichen Tiere bei uns in Sicherheit, so brach die Katastrophe los. Mit andern Worten: Die vermessene, mehrmalige ‚Aufforderung zur Schlacht am Dschebel Allah‘ trat in das Stadium ihrer Konsequenzen. Ein dröhnendes Rollen kam aus der Ferne, nicht schnell, sondern langsam, wie das Nahen eines sicheren, wohlüberlegten Schicksals. Es ging unter uns hindurch. Es war, als ob eine meilenlange Riesenschildkröte unter unseren Füßen hindurchkröche. Sie hob uns, als sie uns erreichte, empor, schob ihren unerbittlich harten Leib immer weiter und ließ uns hinter sich dann wieder fallen. Ich fühlte das sehr deutlich, denn ich hatte mich, als diese vernichtende Erdwelle kam, schnell neben meinen Syrr niedergelegt, um ihm das Gefühl zu geben, daß er nichts zu befürchten habe. Halef tat dasselbe mit seinem Assil Ben Rih. Der Mir und der Basch Islami fielen nieder. Der Schech el Beled aber stand aufrecht, die Hand des Dschirbani noch immer haltend, und rief:
„Hört ihr die Schüsse noch? Nein! Sie haben plötzlich aufgehört, obgleich es noch nicht volle dreißig waren. Wenn der spricht, dessen Stimme wir nun hören werden, hat jeder andere zu schweigen. Dieser eine, erste Stoß hat genügt, die Artillerie des ‚Panther‘ zu vernichten, vielleicht sein ganzes Heer. Hört ihr es krachen und stürzen?“
Wir vernahmen trotz der weiten Entfernung, in der wir uns befanden, das Getöse sich loslösender, niederschmetternder und zerberstender Felsenstücke. Hierauf war es, als ob Tausende von Tier- und Menschenstimmen sich zu einem einzigen, großen, entsetzlichen Todesschrei vereinigten, der geradeauf zum Himmel stieg und uns also nur mit seinen äußersten Schwingungen berührte.
„Schrecklich, schrecklich!“ rief der Mir. „Sie sind
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