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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie flüchteten sich nach unserer Richtung. Sie rannten auf uns zu und an uns vorüber. Eines von ihnen schoß sogar zwischen uns hindurch. Es wieherte und schnaubte nicht etwa, sondern es brüllte, heulte und zeterte wenigstens ebenso laut, wie der Donner rollte, und riß, indem es quer durch unsere Linie stürmte, den Mir und den Basch Islami über den Haufen.
    „Maschallah!“ wunderte sich Halef. „Hast du dieses Pferd gesehen, Effendi?“
    „Ja, aber nicht deutlich“, antwortete ich.
    „Es war ein riesiges Tier!“
    „Ein Ussulgaul, ja.“
    „Der Dickste, den ich bisher gesehen habe! Und diese Stimme! Dieses Brüllen, Heulen und elefantenmäßige Trompeten! Das kennen wir doch wohl! Oder nicht?“
    „Hm!“
    „Ich möchte behaupten, daß dieser Gaul kein anderer gewesen ist als unser Smihk, der köstliche Dicke! Was sagst du dazu?“
    „Seine Stimme war es allerdings. Aber wie sollte Smihk hierher nach dem Dschebel Allah kommen, er, der doch jetzt daheim ist im Vaterland aller Ur- und anderen dicken Gäule?“
    „Wer kann wissen, was dort geschehen ist, oder was sich – Oh, Allah, hilf!“
    Er unterbrach sich mit diesem Ausruf des Schreckes, weil jetzt eine ganze Reihe von Blitzen und Donnerschlägen so schnell aufeinander folgte, als ob es nur ein einziger sei. Und nun geschah, was auch daheim im deutschen Vaterland nach so starken Entladungen häufig geschieht: Kaum waren diese Licht- und Schallerscheinungen vorüber, so hörte der Regen wie mit einem Schlag auf. Er hatte nicht länger als zwei Minuten gedauert. Nun war aber auch der feuchte Schleier verschwunden, und der Dschebel Allah lag mit seiner ganzen Umgebung wieder frei vor unsern Augen, aber nicht, wie vor der Verfinsterung des Himmels, im Schein des Mondes und der Sterne, sondern im Glanz des Morgenrots, welches die Häupter von ‚Vater‘, ‚Mutter‘ und ‚Sohn‘ überstrahlte und langsam an ihnen niederstieg, um dann auch uns zu umfassen.
    Ein jeder von uns hatte einen Ausruf der Erleichterung und Bewunderung auf den Lippen. Es tat sich vor unsern Augen ein schöner, ja ein einzig schöner Morgen auf. Beide, das Gebirge und die Ebene, die zum Schlachtfeld bestimmt gewesen waren, lagen wie völlig unverändert vor uns da. Alle Bergkuppen glänzten im friedlichen Licht des auferstandenen Tages. Keine Spur einer vulkanischen Glut, keine Spur von steigendem Rauch oder fliegender Asche! Auch am oder mit dem Dschebel Allah schien nicht das geringste vor sich gegangen zu sein. Es war, als hätten wir nur geträumt. Aber während sich unter den letzten gewaltigen Donnerschlägen dieses beruhigende Bild vor uns entrollte, hatten dieselben Blitze und Schläge auf die Pferde unsers Lagers doch verwirrender gewirkt, als es uns im Dunkel erschienen war. Viele hatten sich losgerissen. Sie rannten überall herum, schnaubend, wiehernd, mit den Hufen um sich schlagend, bald stehen bleibend, um zu stutzen, bald ziellos weiterjagend. Man begann sie einzufangen. Am schlimmsten trieb es der fleischige Riesengaul, der den Mir und den Basch Islami umgerissen hatte. Das letzte, gewaltige Krachen hatte seinen Lauf unterbrochen. Er war vor Entsetzen umgekehrt und kam nun wieder auf uns zu, womöglich noch lauter heulend und schreiend als vorher.
    „Sihdi, da kehrt er zurück!“ rief Halef. „Laß dich nicht auch umrennen! Der Kerl ist vor Angst außer sich. Grad wie –“
    „Grad wie Smihk!“ unterbrach ich ihn. „Er ist es; er ist es wirklich!“
    „Meinst du?“
    „Ja, er ist's! Ich erkenne ihn!“
    „Allah, w' Allah! Wie kommt er hierher?“
    „Das ist Nebensache! Hauptsache ist, wie halten wir ihn auf?“
    „Wie immer. Er kennt deine Stimme. Und er sieht dich doch auch. Er wird doch nicht etwa vor Angst blind geworden sein!“
    Da breitete ich die Arme aus und stellte mich dem heranbrausenden Koloß gerade in den Weg.
    „Smihk, Smihk, Smihk!“ rief ich. Und „Smihk, Smihk!“ brüllte auch Halef.
    „Du nicht, du nicht!“ befahl ich diesem. „Er darf nur meine Stimme hören! Smihk, Smihk! Smihk, Smihk!“
    Das Pferd kam auf mich zu. Es sah mich, und es sah mich aber auch nicht. Es erkannte mich nicht. Ich war anders gekleidet. Ich trug den Lederanzug der El Hadd. Ich mußte zur Seite springen, um nicht umgerissen zu werden. Aber als der Dicke mich dabei grad vor den Augen hatte, brüllte ich wenigstens ebenso laut wie er selbst: „Smihk, Smihk!“ Und das wirkte endlich doch. Er konnte zwar nicht so schnell anhalten, wie er wollte,

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