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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aber er schlug einen Bogen und kam dann, in immer langsameren Schritt fallend, wieder auf mich zu. Da blieb er in einer Entfernung von zehn oder zwölf Schritten von mir stehen, um mich genau zu betrachten.
    „Smihk, mein lieber Smihk!“ sagte ich, indem ich mit ausgestreckten Händen auf ihn zuging.
    Da durchzuckte es ihn. Er erkannte mich. Er hob den Kopf so hoch wie möglich in die Höhe, öffnete das Maul und schrie aus vollem Hals, aber derart, daß die ganze Umgebung rebellisch wurde. Dann tat er zwei, drei Sätze auf mich zu, beschnoberte mich, strich mir mit der weit herausgestreckten Zunge quer über das Gesicht und tat dann das aller possierlichste, was so ein ungestaltetes, kolossales Ungetüm tun konnte, nämlich er sprang und hüpfte vor Freude um mich herum wie ein kleines Schoßhündchen, welches sich über die Heimkehr seiner Herrin freut, und drehte, ringelte und spiralisierte dabei das Schwänzchen ununterbrochen in einer Weise, als ob es darauf abgesehen sei, einen Knoten daraus zu machen. Wir alle, die wir dabeistanden, brachen in ein lautes Lachen aus. Darüber freute Smihk sich derart, daß er seine Sprünge verdoppelte, so daß aus unserm Lachen ein schallendes Gelächter wurde. Auch der Mir lachte mit.
    „Das ist ja das Nashornpferd, welches uns umgerissen hat!“ sagte er. „Ihr scheint es zu kennen. Wem gehört es?“
    „Es ist das Reitpferd unseres Freundes Amihn, des Scheiks der Ussul“, antwortete ich.
    „Von wem wird es denn jetzt hier bei der Truppe geritten?“
    „Gewiß von niemand. Der Gaul ist sein Liebling, den er keinem andern überläßt. Wo Smihk, der Dicke ist, da ist unbedingt auch sein Herr.“
    „Amihn hier? Davon weiß ich ja nichts!“
    „Ich auch nicht; wir alle nicht. Wir werden aber bald erfahren, was es mit dem unerwarteten Erscheinen dieses Pferdes für eine Bewandtnis hat. Schau! Dort kommen zwei Reiter! Ich glaube, das ist der Fürst von Halihm mit seiner Tochter.“
    Ja, sie waren es, Abd el Fadl mit Merhameh. Sie kamen von Osten hier im Galopp durch den frischen Morgen geritten, so daß sie sich uns sehr schnell näherten, beide in ihre blaugeflochtenen Ledergewänder und lichte, hinter ihnen herwehende Mäntel gekleidet. Auf ihren blütenweißen, leicht über dem Erdboden dahinfliegenden Pferden wollten sie uns wie Boten aus einer andern Welt erscheinen, als unsere gegenwärtige ist. Beider Wangen waren gerötet, und beider Augen leuchteten, als sie uns erreichten und abstiegen.
    „Das war die ‚Schlacht am Dschebel Allah‘ mit der wir getäuscht werden sollten“, sagte Abd el Fadl. „Die Vorspiegelung ist zur Wahrheit geworden. Es trat einer an unsere Stelle, der nicht zu täuschen ist. Nun ist sie vorüber. Die Kanonen wurden in die Schluchten und Abgründe gestürzt, und wer nicht Zeit zu fliehen fand, der liegt zermalmt unter Felsen oder zerschmettert in der Tiefe. Aus dem Dschebel Allah aber sind warme, heilende Quellen hervorgebrochen, und zu den Füßen des ‚Sohnes‘ rauscht ein neugeborener Strom den Berg hinab, um die verödete Steppe zu bewässern und zu segnen. So straft die höhere Gerechtigkeit! Und so verwandelt zu gleicher Zeit die Güte des Himmels die Strafe in Wohltat und liebende Hilfe!“
    „Nur die Güte des Himmels tut das?“ fragte Merhameh. „Gibt es nicht auch eine Güte der Menschen? Ich heiße Merhameh, die Barmherzigkeit, und ich will nicht nur so heißen, sondern es auch sein. Ich wende mich an dich, den Mir von Ardistan, und ebenso an dich, den Mir von Dschinn –“ sie hielt mitten in diesem Wort inne, um es schnell zu verändern – „an dich, den Schech el Beled von El Hadd. Das Schlachtfeld dieser Nacht wird von der Grenzlinie eurer Gebiete gerade durchschnitten. Ich habe mich also an euch beide zu wenden, indem ich bitte: Der Strenge ist Genüge getan; nun soll die Güte walten, die Menschlichkeit, die Barmherzigkeit. Schenkt mir und meinem Vater die Leidenden, die Verwundeten! Die Scharen von Halihm sind gewohnt, nicht nur zu schlagen, sondern auch zu heilen, nicht nur niederzuwerfen, sondern auch wieder aufzurichten. Erlaubt uns, sie hinauf nach der Stelle der Verwüstung zu führen, um, nachdem die Vergeltung gesprochen hat, auch zu tun, was das Herz uns gebietet!“
    „Was mein Gebiet betrifft, so erlaube ich es, und zwar sehr gern“, antwortete unser Mir von Ardistan.
    „Ich ebenso auf dem meinigen“, stimmte der Schech el Beled bei. „Da kommt Irahd, der Anführer eurer Hukara. Was hat er zu

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