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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Offiziere der Dschunub zu belauschen. In ganz demselben Raum saß ich vorher mit meinen beiden Gefährten. Es ist gewiß, daß er auch uns belauschte. So fragt ihn doch! Er wird euch sagen, weshalb ich sofort gehen muß, nachdem ich diesem hier begegnet bin!“
    Er hob bei diesen Worten die Hand und zeigte auf seinen Bruder Sadik, dessen Anwesenheit er erst heut früh erfahren hatte. Dann ritt er bis nahe an Abd el Fadl heran und fragte ihn:
    „Du bist Abd el Fadl, der Fürst von Halihm?“
    „Ja“, antwortete der Angeredete.
    „Und das ist Merhameh, deine Tochter?“
    „Ja.“
    „So warne ich dich! Gib sie niemals einem Mann zum Weib, außer mir! Sie wagte gestern, zu segnen, was ich verfluchte. Und sie ist schön! So sei sie mir verfallen. Ich hole sie mir!“
    Er ließ sein Pferd einen engen Kreis beschreiben, um allen rundum Stehenden in das Gesicht zu sehen, und rief sodann mit lauter Stimme:
    „Hört, ihr Tschoban! Und hört auch, ihr Ussul! Dort seht ihr Merhameh, das Kind von Abd el Fadl, des Fürsten von Halihm! Und hier bin ich, bis jetzt nur Prinz des Scheiks der Tschoban, bald aber mehr, viel mehr! Ich erkläre Merhameh für meine Braut. Wehe ihrem Vater, wenn er es wagt, mir einen andern vorzuziehen! Wehe ihr, wenn sie sich mir nicht treu und heilig hält! Und wehe dem Unglücklichen, den ich an ihrer Seite finde, wenn ich komme! Er stirbt einen Tod, der schwerer wiegt, als tausend andere Tode! Lebt wohl! Allah beschütze euch! Ihr habt es nötig!“
    Er ritt davon, begleitet von seinen Gefährten. Ich stand da und schaute ihm nach, ohne das, was er tat, zu begreifen. Da kam der Dschirbani, nahm mich bei der Hand und sagte:
    „Komm mit, Effendi, komm! Es ist sehr Wichtiges geschehen! Wir warteten schon längst auf dich, um es dir mitzuteilen. Das, was gestern geschah und heut geschieht, ist keinesfalls das Ende. Es scheint, wir gehen doch hinauf, hinauf nach – Dschinnistan –!“

ZWEITES KAPITEL
    In der Höhle des Löwen
    Es war etwas über zwei Monate später. Dschunubistan hatte sich fügen müssen. Der Dschirbani stand mit seinem stark vermehrten Heer nun an der Grenze von Gharbistan, welches keinen besonderen Herrscher besaß, sondern ebenso wie auch Scharkistan dem Mir von Ardistan unmittelbar untergeben war. Wir beide aber, nämlich Halef und ich, befanden uns unsern Truppen weit voraus; warum, das wird der Leser bald erfahren. Wir hatten Gharbistan quer durchritten und uns dann bei dem Mir von Ardistan als Abgesandte des Dschirbani melden lassen. Es war uns von ihm eine Reiterschar entgegengeschickt worden, um uns nach Ard, seiner Hauptstadt und Residenz, zu führen. Diese Leute behaupteten, daß sie die Aufgabe hätten, uns zu beschützen. In Wahrheit aber hatten wir uns als ihre Gefangenen zu betrachten, weil es ihnen bei Leben oder Tod befohlen war, uns der Gewalt des gefürchteten Tyrannen auszuliefern. Sie waren das, was wir in Europa als Soldaten bezeichnen, und wurden von einem Oberst angeführt, der sich alle Mühe gab, uns glauben zu machen, daß nicht die geringste Gefahr für uns vorhanden sei. Daß wir unsere beiden Hengste ritten, versteht sich ganz von selbst. Aber unsere Gewehre hatten wir bei dem Dschirbani zurückgelassen, ebenso auch die Pistolen und Revolver, und zwar aus zwei gewichtigen Gründen. Erstens wollten wir als Gesandte oder vielmehr als Parlamentäre gelten und durften also nicht bewaffnet sein, und zweitens wollte ich meine beiden kostbaren Gewehre nicht der Gefahr aussetzen, in die Hände des Mir zu geraten. Wir waren also vollständig unbewaffnet, denn die Messer, die dort ein jeder fortwährend trägt, waren nur als Eßwerkzeuge, nicht aber als Waffen zu betrachten. Auch unsere Hunde hatten wir nicht mit. Es war ausgeschlossen gewesen, sie mit nach Ardistan zum Mir zu nehmen. Sie konnten uns da leicht hinderlich sein. Darum hatten wir sie zurückgelassen und der Pflege Abd el Fadls, Merhamehs und des Dschirbani anvertraut.
    Unsere Eskorte hatte uns schon anderthalb Tage lang durch ein Land geführt, welches sich immer gesegneter und fruchtbarer zeigte, je mehr wir uns der Hauptstadt näherten. Aber wir bemerkten gar wohl, daß man einsamen Wegen den Vorzug gab, um Begegnungen möglichst zu vermeiden. Das Terrain stieg langsam, aber ununterbrochen an. Das Land war bergig geworden. Aber die Berge waren nicht kahl, sondern teils dicht bewaldet, teils mit Reben oder Fruchtbäumen besetzt. Wo es eine breitere Ebene gab, sahen wir Häuser, Gärten und

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