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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erlaubt hat, in den kleinsten und abgelegensten Häusern der Stadt zu wohnen, die als Warnungszeichen mit einem Kreuz versehen sein müssen, damit niemand sich verunreinige, indem er seinen Fuß über eine solche Schwelle setzt. Doch kommt! Wir müssen weiter. Der Mir hat befohlen, euch noch vor Abend abzuliefern, weil die von euch gewünschte Audienz noch heute stattzufinden hat.“
    „Wohin führst du uns?“ fragte ich.
    „Natürlich nach dem Schloß, in dem ihr wohnen werdet, denn ihr seid seine Gäste.“
    „Gäste?“
    Bei diesem Wort sah ich ihm scharf in die Augen. Er wurde zwar ein wenig verlegen, bestätigte aber doch:
    „Ja, Gäste!“
    „Hat er dich beauftragt, uns dieses Wort zu sagen? Wirklich dieses?“
    „Grad dieses! Ganz gewiß!“ Nach dieser Versicherung fuhr er gedämpften und vertraulichen Tones fort: „Er ist außerordentlich begierig, euch zu sehen. Er kennt euch schon.“
    „Woher?“
    „Das darf ich nicht verraten. Vielleicht sagt er es euch selbst.“
    Wir setzten uns wieder in Bewegung und ritten auf der andern Seite der Höhe zur Stadt hinab. Niemand beachtete uns. Wir waren nicht anders gekleidet als hier jedermann, und keiner von allen, deren Blicke auf uns fielen, hielt uns für fremde oder gar für aus irgendeinem Grunde interessante Menschen. Es war genauso, wie wenn zwei Deutsche mit einigen Einheimischen durch die Straßen von Paris oder London reiten. Die paar Menschen verschwinden unter der ungezählten Menge der übrigen Passanten. Wir ritten wohl eine ganze Stunde lang durch verschiedene Straßen, Gassen und Gäßchen, kamen über mehrere Brücken und hatten bei den Verschiedenheiten und den Gegensätzen, die uns da überall und in jeder Form und Beziehung entgegentraten, das Gefühl, uns in einer Weltstadt zu befinden, die alles in sich vereinigt, was die Erde ihren Bewohnern bietet. Das machte auf meinen wackeren Halef einen beinahe entmutigenden Eindruck.
    „Mir beginnt, angst zu werden, Sihdi!“ sagte er. „Das ist etwas ganz anderes als draußen im Wald, auf dem Feld oder gar in der freien Wüste, wo man tun kann, was einem beliebt. Hier aber ist man nicht mehr Herr seiner selbst. Hier hilft alle Tapferkeit und Klugheit nichts. Man wird erdrückt, mag man sich noch so wehren! Du aber lächelst?“
    „Ja. Du fürchtest dich weder vor den Bäumen des Waldes noch vor den Halmen des Feldes noch vor den Sandkörnern der Wüste, obgleich du sie nicht zählen kannst. Vor diesen Menschen aber wird dir bange, obgleich ihre Zahl noch lange nicht so groß ist als die Zahl der Blätter oder Nadeln eines einzigen ausgewachsenen Baumes im Wald! Glaubst du etwa, daß Allah draußen vor der Stadt geblieben ist? Oder haben wir unsern Mut, unsern Scharfsinn, unsere List da draußen weggeworfen und reiten nun ohne Glauben an Gott und an uns selbst als Narren und Dummköpfe einem unvermeidlichen Untergange entgegen?“
    Da reckte er seine kleine Gestalt so hoch wie möglich empor und antwortete:
    „Nein, Sihdi, nein: das nicht! Wenn du so weiter denkst und bleibst wie jetzt, werden wir diese Riesenstadt so frei verlassen, wie wir gekommen sind! Ja, es ist wohl richtig, daß es ein unendlich kühner und verwegener Plan gewesen ist, nach Ard zu reiten, um den Mir kennenzulernen, bevor der eigentliche Kampf gegen ihn beginnt. Wenn er uns durchschaut, so weiß er, daß wir nur als Spione gekommen sind, die man entweder mit Knüppeln totzuschlagen oder mit Stricken am Hals aufzuhängen pflegt. Und er ist ein rücksichtsloser, grausamer Mensch, dem es ein großes Vergnügen machen wird, uns von der Spitze eines seiner vielen Türme herunterwerfen zu lassen. Aber wir würden uns so etwas doch wohl nicht ganz gutwillig gefallen lassen. Wenigstens ich würde, falls es uns wirklich an das Leben gehen sollte, ihm schnurstracks an den Hals springen und ihm zwei Hände breit weiter unten fühlen lassen, wie lang die Klinge meines Messers ist. Also sei getrost, Sihdi! Ich verlasse dich nicht, mag es kommen, wie es will!“
    So war er, der liebe, kleine Kerl; er tröstete und munterte mich auf, obwohl die Bangigkeit sich doch nicht an mich, sondern an ihn herangeschlichen hatte. Daß er mich selbst in der gefährlichen Lage nicht verlassen würde, verstand sich ganz von selbst!
    Der Riesenbau des ‚Schlosses‘ blieb uns durch jede Straßen- und Häuserlücke sichtbar, an der wir vorüberkamen. Er schob seine Füße viel weiter vor, als wir dachten, und so waren wir überrascht, als wir

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