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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ich hatte die Hilferufe nicht im Schlaf gehört, sondern in den Pausen, in denen ich wachte. Das Wasser des Flusses hatte eine solche Höhe erreicht, daß es den Pferden da unten auf dem Weg schließlich bis an den Leib und den Menschen bis an die Brust gegangen war. Die Dschunub standen in Todesangst. Sie schrien bis weit nach Mitternacht fast immerwährend um Hilfe. Einer solchen Wassermasse hatten die beiden Feuer kaum widerstehen können. Sie brannten nur noch an der Spitze der Scheiterhaufen, deren unterer Teil im Wasser stand. Und sie brannten auch nicht mehr im Freien, weil sie da vom Regen ausgelöscht worden wären, sondern im Innern der beiden Toröffnungen, wo kein Regen sie traf. Das hatte ihrer Größe und ihrer Wirkung so viel Eintrag getan, daß die Dschunub es wagen konnten, bis heranzukommen und die Wachen zu bitten, daß der Dschirbani kommen möge, um mit ihnen zu verhandeln. Diese Angst und Not hatte sich der Dschirbani zunutze gemacht. Er war bald am Felsenloch und bald am Felsentor mitten im Wasser erschienen, um hier mit dem Maha-Lama, dort mit dem Strategen zu reden. Auch der Minister und die Generäle waren gekommen, aber nicht zusammen, sondern einzeln. Denn ein jeder von ihnen hatte irgend etwas für sich allein erreichen wollen und zu diesem Zweck ein Bekenntnis oder Geständnis gemacht, welches ihn entlastete, aber zugleich ein Verrat an den andern war. Diese einzelnen Mitteilungen vereinigt, hatten ein ganzes Bild ergeben, welches der Dschirbani dadurch vervollständigte, daß er diese Herren alle zusammenkommen ließ und sie verhörte, mitten im strömenden Regen, bis an die Brust im Wasser stehend und von hundert Speerspitzen der riesigen Ussul bedroht. Sie waren überzeugt, dem sichern Tod zu verfallen, wenn sie sich weigerten, zu gestehen. Darum erzählten sie alle, was sie wußten. Keiner schwieg, keiner nahm sich aus.
    „Was sie wußten? Von wem?“ fragte ich Halef.
    „Von ihrem Scheik. Vom Mir von Ardistan aber ganz besonders.“
    „Und dann?“
    „Der Erfolg war ganz anders als sie dachten. Der Dschirbani ging von ihnen, ohne ein Wort zu sagen. Aber kurze Zeit darauf wurde das Felsenloch geöffnet. Die Dschunub durften heraus, immer einer nach dem andern. Ein jeder hatte sein Pferd und seine Waffen abzuliefern. Jetzt lagern sie, alle dreitausend Mann, im Süden der Landenge im Sand und werden mit ihren eigenen Waffen von uns in Schach gehalten.“
    „Also kriegsgefangen?“
    „Nein, noch schlimmer, Effendi.“
    „Was sonst?“
    „Gefangen wie die Kinder Israel in Babel. Der Dschirbani gibt sie nicht wieder frei. Er läßt sie in die Urwaldungen der Ussul verteilen, wo ihre Aufgabe ist, die Wildnis in fruchtbares Land zu verwandeln.“
    „Ist das wirklich?“ rief ich aus.
    „Ja, Effendi.“
    „Sie alle, alle?“
    „Alle! Auch der mit dem langen Namen, der Maha-Lama und der oberste Minister. Sag, was machst du für ein Gesicht?“
    „Komm, komm! Ich muß hinunter; ich muß zum Dschirbani!“
    Ich eilte den Höhenweg dahin und dann zum Felsenloch hinab. Bis dahin war kein Mensch zu sehen, wohl aber die Spuren des gestrigen Unwetters. Von hier an aber gab es Leute, erst einzelne, dann mehr und mehr. Es waren lauter Ussul und Tschoban. Ich wurde von ihnen gegrüßt, dankte aber kaum, so sehr war ich innerlich beschäftigt. Ein Dschunubi war nicht zu sehen. Am Ende des Engpasses angelangt, sah ich rechts, weit draußen, Tausende von Pferden stehen. Links, auch weit draußen, lagerten ebenso viele Menschen – die Gefangenen. Sonst wimmelte es überall von Ussul und Tschoban. Grad vor mir wurde soeben das Zelt des Scheiks der Ussul wieder errichtet, welches des Sturmes wegen abgebrochen worden war. Vor ihm gab es einen enggezogenen Kreis von Leuten, in dem irgend etwas Wichtiges zu geschehen schien. Ich drängte mich mit Halef durch. Da standen in einer Gruppe beisammen Amihn und Taldscha, der Dschirbani, der Scheik der Tschoban mit Sadik, seinem ältesten Sohne, ferner Abd el Fadl und Merhameh. Ihnen gegenüber hielten auf drei Pferden, zu einem langen Ritt vollständig ausgerüstet, trotz seines kranken Fußes der ‚Panther‘ und seine beiden Freunde und Berater, ‚die Feder‘ und ‚das Schwert des Prinzen‘.
    Als dieser mich sah, hielt er mitten in einem Satz inne, den er soeben sprach, und rief, indem er auf mich deutete:
    „Da kommt er ja. Fragt ihn! Er ist der Horcher. Er weiß alles zu erlauschen, zu erfragen, zu erforschen, zu erfahren! Er hat uns gelehrt,

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