25 - Ardistan und Dschinnistan II
mich von seiner Anwesenheit nicht im geringsten überraschen, sondern entgegnete: „Blind wohl kaum. Aber wie es scheint, sehe ich falsch. Ich bin gekommen, um mit dem Mir von Ardistan zu sprechen und sehe an seiner Stelle weiter nichts als einen ganz gewöhnlichen Tschoban, der seinen Vater, sein Volk und seine Heimat verlassen hat, um sie an ihre Feinde zu verraten. Pfui!“
Ich spuckte aus und wendete mich, um wieder fortzugehen.
„Halt! Du bleibst!“ versuchte er, mich anzudonnern.
„Wer will mich halten?“ fragte ich.
„Ich! Wir alle!“
„Versuche es!“
Ich ging. Halef, der wackere, folgte mir.
„Halt, halt!“ befahl der ‚Panther‘ abermals.
„Halt, halt, halt, halt!“ riefen die andern.
Die näher Stehenden eilten uns nach. Einige faßten nach uns. Einer, der mich mit der Linken beim Arm ergriff, zog sogar seinen krummen Säbel. Den riß ich ihm aber aus der Hand, schleuderte den Kerl mitten unter die andern hinein und rief:
„Zurück! Nehmt euch in acht! Wer aber sofort zum Teufel fahren will, der komme her!“
Einen Augenblick lang war alles still. Jeder stand vor Entsetzen unbeweglich. Eine solche Entweihung dieses Throns, dieses Heiligtums war unerhört, war noch niemals vorgekommen, war ein todeswürdiges Verbrechen, welches unbedingt gerächt werden mußte. Im nächsten Augenblick brach man auf uns ein; soviel war sicher! Ich war entschlossen, bis hinaus in den engen Gang zu retirieren und, indem wir uns dort in der Finsternis zurückzogen, niemand an uns heranzulassen. Vielleicht erreichten wir den Hof und den Stall. Was dann zu geschehen hatte, das lag dann freilich nicht in unserer Hand. Aber es kam, trotz der Größe und der Nähe der Gefahr, doch nicht so weit. Draußen näherte sich ein ungeheurer Lärm, eine Menge Stimmen, die angstvoll durcheinanderschrien. Die Gardine des Haupteinganges wurde weggerissen, und man brüllte herein:
„Zu Hilfe! Zu Hilfe! Rettet euch! Vier tolle Hunde, vier tolle Hunde! Wie die Kamele so groß!“
„Wo?“ fragten die, welche soeben auf uns eindringen wollten.
„Erst unten am Tor des Stallhofs. Da heulten sie und wollten herein. Sie konnten aber nicht. Da rannten sie nach dem Haupttor und hetzen nun, nach Spuren suchend, durch alle Räume und Gänge – da, da! Rettet euch! Sie kommen! Sie kommen!“
Das Geschrei da draußen und auch hier bei uns wurde jetzt von scharfen Hundestimmen übertönt. Das war kein Heulen und Bellen, sondern jenes weittönende, sehnsuchtsvolle Suchen und Fragen, welches nicht eher verstummt, als bis der Hund den vermißten Herrn gefunden hat. Es näherte sich. Es wollte vorüber, denn es gab da draußen keine Fährte von uns, weil wir von der andern Seite gekommen waren. Wir sahen sie vorüberjagen, alle vier, erst Hu und Hi, dann, schärfer windend, auch Aacht und Uucht. Schon waren sie vorbei, da kehrte Uucht um und warf einen Blick herein. Sie hatte einen hinaustreibenden Lufthauch aufgefangen. Uns sehen und wie eine Löwin brüllend, vor übergroßer Freude, das war eins. Im nächsten Augenblicke waren auch die drei andern da. Sie warfen sich auf uns. Sie hätten uns umgerissen und überkugelt, wenn wir nicht schnell an die Wand retiriert wären, um ihren Liebkosungen standhalten zu können. Was aber außer uns beiden und ihnen sich noch im Saal befand, das rief, schrie, heulte und brüllte vor Schreck und Entsetzen aus allen Kehlen und rannte schleunigst zur Tür hinaus.
Die braven Tiere hatten sich also nicht halten lassen. Es war, wie wir später hörten, jede Mühe und alle Zärtlichkeit vergebens gewesen. Wir wußten gar wohl, daß sie unbedingt geblieben wären, wenn man sie nicht falsch behandelt hätte, denn wir hatten es ihnen befohlen und waren von ihnen verstanden worden. Welchen Fehler man gemacht hatte, erfuhren wir hernach; jetzt aber konnten wir nicht danach fragen und mußten uns darein, daß sie uns nachgeeilt waren, fügen, gleichviel ob es für uns gut war oder nicht. Jedenfalls war es eine ganz bedeutende Leistung von ihnen. Fast vier volle Tagesreisen, erst zwei durch Gharbistan und dann fast zwei durch Ardistan. Durch eine stockfremde, reich belebte Stadt! Wegen des verschlossenen Tors durch den ganzen Palast, bis sie uns hatten! Wie verdurstet, verhungert, vergrämt und abgehetzt sie aussahen! Und wie sie nun vor Freude wimmerten und weinten. Wir meinten es ehrlich gut mit ihnen. Wir liebkosten sie mit allen Händen und mit allen Worten, die sie verstanden. Sie mußten Wasser
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