25 - Ardistan und Dschinnistan II
Gänge und mehrere Treppen hinauf und hinunter geführt. Es gab überall nur sowenig Licht, wie gerade nötig war, zu sehen, wo man ging. Die Wände waren verhangen. Die Teppiche und Matten töteten den Schall eines jeden Schritts. Wie draußen im Freien war man auch hier bemüht, jede Begegnung zu vermeiden. Wir trafen keinen Menschen, nicht einmal eine dienstbare, uns die Räume öffnende Person an. Das alles tat der Oberst selbst. Endlich führte er uns gar in einen langen, schmalen, vollständig dunklen Raum, den wir in seiner ganzen Ausdehnung durchschritten, indem wir uns hüben und drüben mit den Händen weitertasteten. Das war, wie sich dann herausstellte, Berechnung. Wir sollten uns infolge dieser Dunkelheit von der uns nun entgegenstrahlenden Lichtfülle überwältigt und geblendet fühlen. Zum Verständnis der nun folgenden Szene habe ich zu bemerken, daß ich, wenn ich vom ‚Öffnen der Räume‘ sprach, nicht habe sagen wollen, daß wirkliche, hölzerne, verschließbare Türen vorhanden gewesen seien. Ob es überhaupt welche gab, das wußten wir nicht; gesehen hatten wir keine, ausgenommen das Tor, durch welches wir aus der Straße in den Hof geritten waren. Sonst aber waren alle Türöffnungen, durch die wir bis zum jetzigen Augenblick gekommen waren, mit Teppichen oder Gardinen verhangen gewesen, die man, um passieren zu können, zurückzuschlagen hatte. Dieses Zurückschlagen der Vorhänge meinte ich, als ich von dem öffnen der Türen oder der Räume redete. Als der Oberst die dicken, schweren Gardinen, welche das gegenwärtige tiefe Dunkel abschlossen, auseinanderzog und uns aufforderte, einzutreten, drang uns zu gleicher Zeit beides entgegen, eine Fülle aller möglichen Wohlgerüche und eine Fülle aller möglichen Licht- und Strahlenbrechungen mit Hilfe gefärbter Gläser, Ampeln und Laternen, die von der Decke hingen und an den Wänden befestigt waren. Das brennende Sesamöl und die brennenden Kerzen waren parfümiert. Das Auge wurde geblendet und jeder Empfindungsnerv sofort in eine Art von Betäubung versetzt.
Es war ein Saal, in den wir traten, sogar der Thronsaal des Mir von Ardistan, und doch auch wieder nicht, sondern etwas ganz anderes. Dieser Saal hatte, architektonisch betrachtet, etwas Frommes, Heiliges, ja Kirchliches an sich, doch drang dieser Ausdruck oder Eindruck nicht vollständig durch; er wurde durch die weltliche Ausschmückung, so kostbar diese auch war, profaniert.
Ich will den köstlichen Thronstuhl nicht beschreiben, auch nicht den, der darauf saß, denn ich sah ihn nicht, sondern ich sah nur die Gewänder, die er trug, und die weißen Schleier, die sein Angesicht so verhüllten, daß nur eine schmale Queröffnung für die Augen offen blieb. Das alles glänzte von Gold und blitzte und funkelte von Diamanten und anderen edlen Steinen. Zu seiner Rechten und zu seiner Linken standen seine Hofstaaten und die höchsten seiner Offiziere, sie alle in flimmernde Kleidungen oder Uniformen gehüllt. Noch weiter von ihm entfernt eine Menge niedrigerer Chargen, die aber eine solche Menge von Waffen trugen, daß man damit eine sechsmal größere Anzahl für den Kampf hätte ausrüsten können. Es war also nicht nur auf die Wirkung des Reichtums und die Pracht, sondern wenigstens ebenso auch auf den kriegerischen Eindruck abgesehen, den man auf uns machen wollte. Wir zwei armen Teufel kamen uns dagegen wie ein Paar wertlose Pfennige vor, die unter einen Haufen von Zwanzigmarkstücken geraten sind.
Warum diesen Aufwand wegen uns beiden? So fragten wir uns. Doch blieb uns keine Zeit, diese Frage zu beantworten denn wir konnten doch nicht stehenbleiben. Aller Augen waren auf uns gerichtet, was wir tun und sagen würden. Wir schritten also zur Mitte des Saales vor, bis wir dem Thron gerade gegenüberstanden. Da blieben wir stehen und schauten auf den Herrscher oder vielmehr auf seine weit ausgebreiteten, übereinanderliegenden Prachtgewänder, unter denen er, die Augen abgerechnet, vollständig verschwand. Er regte sich nicht, wir also ebenso nicht.
„Warum grüßt ihr nicht?“ fragte eine Stimme, die mir sofort bekannt vorkam.
„Wen sollen wir grüßen?“ antwortete ich.
„Den Herrscher!“
„Wo ist er? Er zeige sich!“
„Hier sitzt er, hier! Bist du blind?“
Der, welcher sprach, hatte bisher hinter dem Mir gestanden; jetzt trat er ein wenig zur Seite, so daß wir ihn sahen. Es war – der ‚Panther‘. Darum war mir die Stimme sogleich bekannt vorgekommen. Ich ließ
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