25 - Ardistan und Dschinnistan II
werden!“
„Du warst dabei, als unsere Hunde kamen?“
„Ja. Doch in anderer Kleidung. Darum erkennt ihr mich nicht wieder. Warum habt ihr den Mir nicht gegrüßt?“
„Wir sind keine Schneider, die Kleiderstoffe und Anzüge studieren wollen, sondern wir kommen als Männer, um den Mann zu sehen und zu sprechen! In unserer Heimat grüßt man den Mann, nicht aber das Gewand.“
„Wie stolz!“
Dieser Ausruf klang halb bewundernd, halb aber auch beleidigt, mit einem Anflug von Zorn, den er doch nicht ganz überwinden konnte. Er erhob warnend, wahrscheinlich auch drohend, den Finger und fuhr fort:
„Dieser Stolz hätte euch das Leben kosten können!“
„Wohl kaum!“ antwortete ich.
„O doch! Sogar gewiß! Man hätte euch mit den Säbeln zerhackt und zerhauen! Nur eure Hunde haben euch gerettet!“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht! Wir hatten unsere Messer. Ich hatte auch schnell einen Säbel. Und wir hatten einen Schild, mit dem wir ganz sicher jeden Stich oder Hieb und jede Kugel abgehalten hätten.“
„Einen Schild?“ fragte er. „Ich sah doch keinen!“
„Er saß auf dem Throne. Ich meine den Mir.“
„Wieso? Den Mir!“
„Wir wären zu ihm hingesprungen und hätten ihn gepackt, um uns durch seinen Körper zu schützen. Er hätte sich nicht wehren können, schon der unbehilflichen Kleidung wegen nicht. Dieser Schild war gut. Ihm hätte man jedenfalls nichts getan.“
„Und wenn aber doch?“ fragte er.
„So wären wir gewiß nicht gestorben, ohne ihm vorher unsere Messer in das Herz zu bohren!“
Da schnellte er mit einem Sprunge in die Höhe und rief:
„Ist das wahr? Bei allen Teufeln! Ist das wahr?“
„Gewiß! Ich gebe dir mein Wort!“
Halef bestätigte es. Da schritt der Ardistani nach dem Fenster, schaute, um zu überlegen und sich zu beruhigen, lange, lange Zeit hinaus, drehte sich dann zu uns um und sprach:
„Ich sage euch, daß der Mir niemals, so lange er lebt, wieder eine so unbehilfliche Kleidung anlegen wird! Und ich sage euch weiter, daß es schade, jammerschade um euch gewesen wäre, wenn man euch erschlagen hätte. Ich sehe endlich, endlich einmal Menschen, die wirklich Menschen sind, sogar Männer, wirkliche Männer! Freilich, was ihr mir da sagt, das würdet ihr dem Mir wohl nicht zu sagen wagen, denn –“
„Warum nicht?“ unterbrach ich ihn.
„Er ist ein Tyrann, ein Despot, ein schonungslo –“
„Ja, das ist er!“ fiel ich ihm abermals in die Rede. „Aber warum ist er es? Wer hat ihn dazu gemacht? Haben die Menschen, die ihn umgaben, irgendeinen Wert? Und wenn sie einen haben, dann doch nur als Masse! Wieviel Hunderttausende von ihnen werden geboren, nur um wieder zu sterben und zu verfaulen, ohne daß es auch nur einem einzigen von ihnen gelingt, auf sie gestützt, über sie emporzusteigen. Ist es da ein Wunder, daß er, der nicht emporzusteigen braucht, weil er oben geboren ist, dieses sogenannte Menschenmaterial eben nur als Material betrachtet, als weiter nichts?“
Er trat wieder näher, langsam und tief atmend. Seine Augen begannen zu glänzen. Seine bleichen Wangen färbten sich. Ich fuhr fort:
„Wäre er in meinen Augen ein Tyrann, so wäre ich nicht hierhergekommen; darauf verlasse dich! Du glaubst, ich fürchte mich vor ihm? Habe ich mich nicht in deiner Gegenwart geweigert, ihn zu grüßen? Habe ich ihm nicht gesagt, daß es genauso ist, als ob ich ihn gar nicht sehe? Habe ich ihn nicht dadurch gezwungen, aus dem lächerlichen toten Herrschergewand, welches einem Sarg gleicht, herauszutreten und mir den Menschen, den Mann, den wahren Mir zu zeigen, nicht aber den Sklaven seines höfischen Mummenschanzes und seiner eigenen Knechte und Mägde?“
„Gezwungen hast du ihn?“ fragte er verwundert. „Und herausgetreten ist er?“
„Ja“, antwortete ich.
„Wann? Wo?“
„Jetzt, hier!“
Während ich das sagte, stand ich auf, um die Arme über der Brust zu kreuzen und mich höflich zu verneigen. Halef tat dasselbe. Da wich der Ardistani einen Schritt von uns zurück und fragte:
„So wißt ihr, wer ich bin? Ihr habt mich erkannt?“
„Ja.“
„Woran?“
„An deiner Aussprache, am Sin und Sad.“
Da ging ein fröhliches Lächeln über sein Gesicht, und er rief aus:
„Wirst du es glauben, daß du außer Mutter, Vater und Lehrer der erste bist, der es wagt, von diesem Fehler zu sprechen? Oh, diese Kriecher, diese Würmer, diese Läuse, Wanzen und Flöhe! Es zuckt einem der Fuß, sie hinabzustoßen, so oft sie
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