Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und Fleisch bekommen!
    „Ja, Wasser, vor allen Dingen Wasser!“ sagte Halef. „Und Fleisch, viel Fleisch! Und wenn ich die Küche des Mir erstürmen müßte! Sie haben es verdient, wahrhaftig verdient!“
    „Brauchst nicht zu stürmen!“ ließ sich da eine tiefe, klare Stimme vernehmen. „Herrliche Hunde! Prächtige Hunde! Werde selbst Befehl geben! Geht getrost in eure Stuben! Es geschieht euch nichts, solange ihr in diesem Haus seid! Ihr seid meine Gäste. Verstanden, meine Gäste! Werde euch den Nahsir es Serahja (Schloßvogt, Schloßhauptmann) senden. Sogleich!“
    Man denke sich unser Erstaunen. Wir hatten angenommen, sie alle seien hinaus, und hatten nur noch Augen für unsere Hunde gehabt. Und nun jetzt, da er zu sprechen begann und wir zu ihm hinschauten, sahen wir, daß gerade die Hauptperson, nämlich der Mir, ganz ruhig sitzen geblieben war und unsere Liebe und Zärtlichkeit für die erschöpften Tiere beobachtete. Jetzt stand er auf, nahm seine Kleider zusammen, hob sie, um sich fußfrei zu machen, vorn empor und ging hinaus. An der Tür blieb er noch für einen Augenblick stehen, wandte uns das Gesicht, welches wir des Schleiers wegen auch jetzt nicht sahen, noch einmal zu und wiederholte:
    „Werde den Nahsir es Serahja senden. Der bringt Fleisch. Lebt wohl!“
    „Maschallah!“ wunderte sich Halef, als der Mir sich entfernt hatte. „Hättest du so etwas für möglich gehalten, Effendi?“
    „Wohl kaum!“
    „Ich denke, wir werden erst geköpft, dann enthauptet und schließlich gar noch hingerichtet, weil wir mit dem Säbel – du, da liegt er noch! Und nun scheint er ganz zufrieden zu sein und schickt uns gar noch Fleisch! Was sagst du dazu?“
    „Daß die Hunde uns gerettet haben!“
    „Ich auch! Wer hat sie gesandt?“
    „Frag nicht, sondern komm!“
    „Gleich, gleich, Sihdi. Erlaube nur, daß ich erst einmal – Hier ist keine Wand, sondern nur ein großer, dünner Schleier, durch den man sieht, daß kleine Sternchen sich dahinter bewegen. Was mag das sein?“
    Er ging nach der betreffenden Seite. Dort gab es, wie gewöhnlich bei Kirchenemporen, eine Balustrade, die eigentlich frei, jetzt aber bis hinauf an die Decke abgeschlossen war, und zwar durch senkrechte Reihen allerfeinsten bucharischen Wollstoffs, zwischen denen man, wenn man sie zur Seite schob, in den hinter der Balustrade liegenden Raum hinausschauen konnte. Der war groß, sehr groß, aber völlig finster. Die Sterne, von denen Halef gesprochen hatte, waren brennende Lämpchen, zwar ziemlich zahlreich, aber doch nicht imstande, auch nur die allergeringste Beleuchtung hervorzubringen. Nur von dem Raum aus, in dem wir uns befanden, fiel ein nebelhafter Schein hinaus, der dem Schweif eines Kometen glich. Ich vermutete, daß wir uns unter der Hauptkuppel der Kathedrale befanden, konnte es aber nicht behaupten, da wir wohl erst morgen am Tag imstande waren, hierüber zu entscheiden.
    Das unverhoffte, gütige Verhalten des Mir war, wie man zugeben wird, geeignet, uns zu veranlassen, dem, was uns erwartete, ruhiger entgegenzusehen als bisher. Über sein Äußeres befanden wir uns im unklaren. Nur seine Stimme hatten wir gehört. Sie klang tief und rein und gar nicht unsympathisch. Die Zunge stieß, wie es schien, bei den Konsonanten ‚Sin‘ und ‚Sad‘ ein wenig an. Das klang gar nicht so, wie man sich die Stimme eines finstern Tyrannen, Despoten oder Wüterichs gewöhnlich zu denken pflegt. Ich hatte das Gefühl, als sei das Herz dieses Mannes keinesfalls von Stein, und Halef war ganz derselben Meinung. Eben, als wir den Rückweg nach unserer Wohnung antreten wollten, kam der Oberst gerannt. Der Mir selbst hatte ihn getroffen und ihm befohlen, zu uns zu eilen, um uns wieder dahin zurückzuführen, woher er uns geholt hatte. Wenn ich an den Lärm und an den Aufruhr dachte, den unsere Hunde hier im Schloß hervorgebracht hatten, so wäre mir der höchste Zorn des Fürsten erklärlich gewesen. Und was trat ein? Das gerade Gegenteil! Er nahm sich ihrer gradso wie wir in Liebe an! War das nicht wunderbar? Als wir uns dann wieder bei uns befanden, waren wir viel ruhiger als vorher, zumal der Diener die Weisung erhalten zu haben schien, von jetzt an weniger Wächter als vielmehr Domestik zu sein.
    Er brachte zunächst Wasser für die Hunde. Dann drei Pfeifen und Tabak. Die dritte sei für den Nahsir es Serahja, der bald erscheinen werde. Doch sollten wir ja mit dem Rauchen nicht auf ihn warten, sondern immer beginnen. Wir taten

Weitere Kostenlose Bücher