25 - Ardistan und Dschinnistan II
kommen, gleich tausend auf einen Tritt!“ Er machte eine Fußbewegung, als ob er jemand oder irgend etwas mit dem Fuß in die Tiefe stoße, setzte sich nieder, stopfte sich seine Pfeife von neuem, schob uns den Tabak hin, dasselbe zu tun, und sprach dabei weiter: „Es sollte geheim bleiben, wer ich bin, aber nun ihr es wißt, mag es so auch richtig sein. Ich will zunächst als Fürst zu euch sprechen, aber nur kurz; viel länger dann auch als Mensch. Als Fürst betrachte ich euch als Feinde. Ich weiß, wer ihr seid. Du bist ein Effendi aus Germanistan und dein Begleiter ist ein arabischer Scheik, der den Ussul alle eure Erlebnisse erzählte. Von ihnen erfuhr es der Prinz der Tschoban, der es dann mir hier berichtete. Ihr wißt nun also, warum ich euch so behandle, wie ich keinen andern Menschen behandelt habe oder später behandeln werde. Wir sind Feinde, aber Männer. Unser Stolz sei, ehrlich zu sein, uns einander nicht zu belügen. Ich bitte euch darum, mich nur nach Dingen zu fragen, die ich euch mitteilen darf, sonst bin ich gezwungen, entweder zu schweigen oder unwahr zu sein. Warum seid ihr gekommen? Seid aufrichtig! Es geschieht euch nicht mehr, als wenn ihr lügt. Vor allen Dingen seid ihr versichert, daß ihr das Gastrecht meines Hauses und meiner Stadt genießet und erst jenseits der Stadtgrenzen wieder vogelfrei werdet.“
„Ich danke dir!“ erwiderte ich. „Ja, laß uns Männer sein und nur die Wahrheit sagen! Wir sind nicht deine Feinde, sondern nur deine Freunde, wahrscheinlich sogar die besten und ehrlichsten, die du hast. Doch, um das zu erkennen, mußt du besser über uns unterrichtet sein, als der ‚Palang‘ dich unterrichtet hat. Es ist Krieg. Der Dschirbani steht vor der Pforte von Gharbistan, bereit, die Grenze zu überschreiten, sobald er Nachricht von uns bekommt. Ebensowenig, wie ich dich nach deinen Kriegsplänen und deinen Truppen frage, ebensowenig wirst du mich nach den meinigen fragen. Wir kommen nur wegen der Geiseln zu dir, wegen weiter niemand und nichts. Wir wollen sie befreien und –“
„Ihr zwei?“ fragte er da schnell.
„Ja, nur wir zwei“, antwortete ich.
„Das sieht euch ähnlich; beim Himmel, das sieht euch ähnlich! Und das sagst du mir so offen?!“
„Warum sollte ich das nicht? Wir sind ja grad aus dem Grund gekommen, es dir zu melden und von dir zu erfahren, was wir wissen müssen, um sie befreien zu können.“
Da nahm sein Gesicht einen Ausdruck an, den ich nicht beschreiben kann. Er wußte nicht, ob er mich für maßlos unverschämt und frech oder für ganz wahnsinnig aufrichtig halten solle. Daß ich einfach nur psychologisch handelte, war für ihn nicht zu erkennen. Er schlug die Hände zusammen, sah mich wie ein Wunder an und rief:
„Ich soll euch verraten, was ihr wissen müßt, um mir meine Gefangenen zu stehlen! Ich selbst, ich selbst! Wer so etwas zu verlangen wagt, der muß – doch sprich: Was willst du wissen?“
„Ob die Geiseln noch leben, die Prinzen der Ussul.“
„Sie leben noch.“
„Wo sie sich befinden.“
„In der Stadt der Geister, die man auch die Stadt des Todes oder der Toten heißt.“
„Droht ihnen der Tod?“
„Ja, der sichere.“
„Wann?“
„Sobald eure Truppen die engere Grenze von Ardistan überschreiten. Das ist unabänderlich bestimmt.“
„So danke ich dir! Wir haben weiter keine andere Frage, denn das ist alles, was wir wissen wollen.“
„So könnte ich euch wohl, wenn ich wollte, sofort entlassen, und euer Zweck wäre damit erreicht?“
„Ja.“
Da sprang er wieder auf, lief in der Stube hin und her und staunte:
„Was seid ihr doch für Menschen! Noch nie habe ich so etwas erlebt! Kaum ist es zu begreifen!“
Er trat wieder zum Fenster und schob den Kopf weit hinaus, als ob er das Bedürfnis fühle, seine Stirn zu kühlen. Dann kehrte er zu uns zurück, setzte sich nieder und entschied: „Unsere Unterredung als Feinde, Offiziere und Diplomaten ist jetzt zu Ende. Der Mir von Ardistan gewährt euch für morgen eine zweite Audienz, in welcher er euch Bescheid sagen wird auf das, was wir jetzt sprachen. Und nun wollen wir nur noch Männer und nur noch Menschen sein, weiter nichts. Es ist jetzt, seitdem ich Prinz war und hernach regierte, das erste Mal, daß ich mich frei von Fesseln, frei von Ekel und Verachtung fühle. Meine Seele möchte atmen, möchte wirklich einmal atmen. Gewährt ihr das! Stört sie nicht, die Lebenslust zu trinken, die mit euch hier hereingekommen ist! Sprecht frei
Weitere Kostenlose Bücher