25 - Ardistan und Dschinnistan II
welche Rolle sie bei dem uns gestatteten ‚Fest der Geburt des Erlösers‘ spielten. Ich sah sie schon jetzt gleich daraufhin an und machte zu Halef die Bemerkung, daß es in meinem Vaterlande niemals ein Weihnacht ohne brennende Tanne gebe. Der Mir hörte das und fragte, indem er sich zu uns zurückwendete:
„Niemals ohne brennende Tschambäume? Welches ist der Grund, daß ihr sie bei diesem Fest verbrennt?“
„Wir verbrennen sie nicht, sondern wir schmücken mit ihnen das Innere der Kirchen und der Häuser. Jedermann kauft sich einen Weihnachtsbaum und stellt ihn in die Stube, um ihn mit Früchten, Engelsfiguren, bunten Sternen und brennenden Lichtern zu schmücken.“
„Mit brennenden Lichtern? Aus welchem Grund? Und wie macht man das?“
Diese Fragen gaben mir sehr willkommene Veranlassung, ihm unser herzliebes deutsches Weihnachtsfest zu beschreiben und ihn auf die tiefe, sinnbildliche Bedeutung des Weihnachtsbaumes hinzuweisen. Ich sah, daß ihn das packte und erwärmte.
„Hm!“ machte er nachdenklich. „Da liebt man sich! Da beschenkt und beschert man sich! Mir hat noch keiner etwas beschert! So lange ich lebe noch nicht!“
„Würdest du mir gestatten, dir und den Deinen eine so köstliche Bescherung zu bereiten?“
Da richtete er sich mit einem schnellen, frohen Ruck auf und fragte:
„Kannst du das?“
„Ja, ich kann es“, antwortete ich. „Du brauchst es nur zu gestatten.“
„Du sprachst von Mann und Weib, von Eltern und von Kindern, die einander beschenken. Würde das auch bei mir möglich sein?“
„Sehr leicht! Und ich bin überzeugt, daß es dich unendlich glücklich machen würde. Du brauchst mir nur die Personen zu nennen, die hierbei in Frage kommen.“
„Mein Weib und vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter; außerdem die Mutter meines Weibes. Einen Harem habe ich nicht. Du wirst mir beschreiben, wie ich das zu machen habe, und mir dabei helfen! Wir bringen heut eine Tanne mit heim. Und ich bitte dich, sie so zu schmücken, wie ihr es in Dschermanistan tut. Gefällt es mir, so werde ich nicht nur meinem Weib und meinen Kindern, sondern auch den Dienern und Beamten bescheren, mit denen ich zufrieden bin. Das darf man doch?“
„Gewiß! Je mehr du Liebe spendest, desto größer kommt sie zu dir zurück!“
Welch ein Glück, dieses Erwachen des Weihnachtsgedankens! Ich begann zu ahnen, daß uns das Fest ein mächtiger Helfer sein und dann auch bleiben werde. Der Mir war einige Zeit lang still. Er beschäftigte sich innerlich. Sein Blick schweifte wiederholt wie schätzend und berechnend am Rand des Waldes entlang, an dem wir hinritten, und der so groß war, daß er gar kein Ende zu nehmen schien. Plötzlich nickte er vor sich hin. Er hatte eine Idee. Er ließ seinen Schimmel langsamer gehen, so daß wir an seine Seite gelangten, und fragte mich:
„Woher bekommen in Dschermanistan so viele Menschen so viele Tannenbäume?“
„Sie kaufen sie“, antwortete ich.
„Von wem?“
„Von der Regierung und von den übrigen Waldbesitzern.“
„Die Regierung, die bin ich! Und andere Waldbesitzer gibt es hier nicht. Meinst du, daß ich die Tannen verkaufen würde?“
„Warum nicht?“
„Und daß man sie mir bezahlte?“
„Gewiß!“
„Könntest du mir das besorgen?“
„Wenn du es wünschest, gern!“
„Hamdullillah! Der Wald hat mir noch niemals etwas eingebracht: jetzt wird er mich bezahlen! Bedenke, die vielen, vielen Tausenden von Christen! Und – und – du sprachst ja auch von Lichtern! Wie viele gehören an einen Baum?“
„Zehn bis zwanzig, oft auch noch mehr.“
„Maschallah! Tausende von Bäumen! Und an einem jeden zwanzig Lichter! Das werden ja Hunderttausende! Woher bekommt man die bei euch in Dschermanistan?“
„Man kauft auch sie.“
„Von wem?“
„Von dem, der sie macht.“
„Wer aber soll sie hier bei uns machen lassen und verkaufen? Ich glaube, ich! Denkst du nicht?“
„Ich denke es!“
„Willst du mir das besorgen?“
„Mit Vergnügen! Nur müßten dazu die nötigen Materialien und auch Arbeiter vorhanden sein!“
„Das wird besorgt! Und, Effendi, du erwähntest auch Engel, Sterne und andere Dinge, mit denen die Bäume geschmückt werden. Woraus werden diese gemacht?“
„Aus Papier, Holz, Metall und anderen Stoffen. Das ist bei uns eine große Industrie für sich. Weil es diese hier aber nicht gibt, so ist es für euch geraten, sie aus Papier zusammenzukleben und aus Teig zu backen.“
„Wie viele Engel und
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