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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht anders! Es gibt hier eine Macht, die ich nicht kenne. Sie steht an eurer Seite, und ich habe das Gefühl, daß sie sich auch an die meinige stellen wird, sobald ich mich entschließe, in eurem Sinne zu handeln.“
    Als er das sagte, tauchte über dem dunkeln Streifen des Waldes die neugeborene Sonne auf und lachte uns strahlend in die Augen. Das war ein ganz alltäglicher Naturvorgang, von dem sich der Mir aber heut tief ergriffen fühlte. Kaum hatte die Flut des Lichtes ihn getroffen, so warf er den Arm in die Luft und rief:
    „Und ich werde mich entschließen! Ich tue es! Die Sonne will es haben! Sie ist heraufgekommen, es mir zu sagen! Vorwärts, vorwärts, mag daraus werden, was da will!“
    Er gab seinem Schimmel die Sporen und stürmte im Galopp weiter. Wir folgten ihm. Unser Weg führte genau dem Aufgang zu, und so war es, als ob wir die Absicht hätten, mitten in all die Sonnen-, Licht- und Farbenpracht hineinzureiten und in ihr zu verschwinden. War dieser Mir von Ardistan wirklich ein Tyrann, ein Wüterich? Oder war er nur das letzte Glied einer Kette von Despoten, welches ebenso hart wie seine Vorgänger zu erscheinen hatte, obgleich es aus edlerem und weicherem Metall bestand als sie?
    Wir sahen bald, daß er stolz auf die Schönheit und Güte seines Pferdes war. Er wollte uns zeigen, was es leistete. Er steigerte den Galopp zur Karriere. Halef hatte große Lust, ihm zu beweisen, daß es uns leicht sei, ihn zu überholen, doch verbot ich ihm das. Der Mann fühlte sich schon in so vielen Stücken übertrumpft; er sollte nicht auch noch in Beziehung auf sein Pferd gekränkt und übertroffen werden. Es war genug, daß wir ihm den Vorrang ließen, ohne grad weit zurückzubleiben. Wir kamen dadurch sehr rasch vorwärts, und es dauerte nicht lange, so sahen wir, an drei Seiten vom nahen Wald und auf der vierten von einem großen, offenen Reit- und Übungsplatz umgeben, den alten, mehr als ehrwürdigen Gebäudekomplex liegen, den er als ‚Strafkaserne‘ bezeichnet hatte. Er bestand aus niedrigen Mannschaftshäusern und Ställen. Ledige Pferde tummelten sich rundum. Es waren echte Ussulpferde, ganz von der Gestalt und Größe des Urgauls Smihk, meines besonderen Busenfreundes. Auch die Leute waren im Freien zu sehen vor den Häusern. Sie beschäftigten sich, wie wir sahen, mit der Zubereitung ihres Morgentranks. Unser Kommen erregte ungewöhnliches Aufsehen, obwohl die Entfernung zwischen uns und ihnen, als sie uns bemerkten, wenigstens zweihundert Pferdelängen betrug. Es war ihnen also nicht möglich, die Züge des Mir zu erkennen; aber sie kannten seinen Schimmel. Ein solcher persönlicher Besuch des Beherrschers war noch nie dagewesen, war unerhört. Man ließ alles stehen und liegen und rannte zu den Waffen und Pferden. Glücklicherweise war bei dieser Truppe das Verhältnis der Offiziere zu den Soldaten ein durchaus patriarchalisches. Die ersteren bildeten die Väter, die letzteren die Kinder; sie gehörten zusammen. So befanden sich auch jetzt die Vorgesetzten bei den Untergebenen und brauchten nicht erst geholt zu werden. Zudem war der Mir rücksichtsvoll und ritt jetzt langsamen Schritt. Dadurch bekam die Truppe Zeit, sich zu sammeln und aufzustellen. Als wir den Platz vor den Gebäuden erreichten, hielten sie, zehn Glieder hoch und die Offiziere voran, in regelrechter Front auf ihren Pferden und boten einen martialischen Anblick, der, wenigstens für mich, eine Wonne war. Ich mußte, indem ich die fünfhundert gewaltigen, zum Himmel ragenden Spieße sah, an Goliath, den Philister, denken, von dem die Bibel erzählt, daß der seinige so stark wie ein Weberbaum gewesen sei.
    „Oh, Sihdi, wenn ich ihnen jetzt eine Rede halten könnte! Was würde ich ihnen alles sagen!“ raunte mir mein kleiner Halef zu, dessen Sprachseligkeit sich bei diesem Anblick ganz gewaltig regte.
    Aber der Mir war es, der da sprach, wenn auch in ganz kurzer, befehlender Weise. Er sagte, daß er gekommen sei, den Morgenkaffee mit ihnen zu trinken und sie nach der Stadt zurückzuholen. Er gebot ihnen, abzusteigen und sich wieder an ihre Kochtöpfe zu begeben. War das ein Jubel nun!
    Einige Minuten später saßen wir beide mit dem Mir, einem alten Major und zwei Kapitänen auf einem wenigstens ebenso alten, schnell herbeigeholten Zeltteppich, ein jeder einen schweren, tönernen Napf in der Hand, aus dem das, was man Kaffee nannte, nach allem möglichen, nur nicht nach Kaffee duftete. Es schmeckte aber, es schmeckte sogar dem

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