25 - Ardistan und Dschinnistan II
Mir, der sich in einer Stimmung befand, über die er sich wohl selbst am meisten wunderte. Er strahlte am ganzen Gesicht und sah dabei doch zuweilen aus, als ob er über sich selbst und seine Leutseligkeit erstaune.
Er gab die nötigen Befehle zu dem Ritt nach der Stadt, was man alles mitzunehmen habe und was nicht. Als er dabei auch auf die Tannenbäume zu sprechen kam, bat ich, in den Wald gehen zu dürfen, um die, welche mir gefielen, zu bezeichnen. Da sprang er auf und sagte, daß er selbst mitgehen werde, und zwar gleich. Die Offiziere schlossen sich an. Während wir nach hübsch gewachsenen, passenden Exemplaren suchten, machte ich dem Mir einen Anschlag, wie viele ich wohl brauche, große und kleine. Wir hatten auszustellen, und zwar an verschiedenen Orten, damit die Bevölkerung so schnell wie möglich unterrichtet werde, was wir meinten und wie wir es uns dachten. Da machte er kurzen Prozeß und sagte:
„Warum so einzeln zählen? Ard ist groß, und was wir heut nicht brauchen, das brauchen wir morgen. Nehmen wir hundert Bäume mit! Wir haben ja Zeit und Menschen genug, sie zu fällen.“
Das geschah. Es dauerte nicht lange, so hatte ich mit dem Säbel des Majors hundert Stück gezeichnet, und das Umschlagen, Köpfen und Zurichten konnte beginnen. Ich lehrte die Ussul, Seile aus langen grünen Zweigen zu drehen, mit denen die Äste eng an den Stamm gezogen wurden, um leicht transportiert werden zu können. Während ein Teil der Leibwache mit dieser Arbeit beschäftigt war, nahm Halef sich die anderen vor. Sie mußten sich, wohl an die dreihundert Personen, wie Schulkinder eng nebeneinander niedersetzen, und er stellte sich vor sie hin und hielt ihnen einen Vortrag über das für sie allerdings hochinteressante Thema, wann, wo und wie wir ihre Verwandten in der Heimat kennengelernt hatten und was seitdem mit ihnen und uns geschehen war. In dieser Weise erfüllte er sich selbst seinen Wunsch, zu diesen Leuten einmal reden zu können. Er tat es in der ihm eigenen, hinreißenden, mit Komik gewürzten Weise, so daß seine Zuhörer gar nicht dazukamen, ein Auge von ihm zu wenden. Er ließ sich auch nicht im geringsten stören, als wir mit dem Mir aus dem Wald zurückkehrten und uns hinstellten, um ihm zuzuhören. Doch nahm er sich da nun wohl mehr in acht als vorher und erreichte dadurch einen Erfolg, dem sich selbst der Mir nicht entziehen konnte, denn dieser sagte zu mir, als der Kleine geendet hatte und die Ussul ihm ihren Dank und ihre Anerkennung zujubelten:
„Dieser dein Hadschi Halef Omar ist ein außerordentlich kluger und brauchbarer Mann! Ein vortrefflicher, guter Mensch! Man muß ihn liebhaben! Ich wollte, er wäre mein Freund, in ganz derselben aufrichtigen Weise, wie er der deinige ist!“
„Das brauchst du dir gar nicht erst zu wünschen, denn es ist dir schon erfüllt“, antwortete ich ihm. „Er ist dein Freund. Du brauchst es nur zu glauben und Vertrauen zu ihm zu haben!“
Er sage nichts hierzu, schaute mir prüfend in das Gesicht, drückte mir die Hand und wendete sich dann an die Offiziere, um ihnen zu sagen, daß es Zeit zum Aufbruch sei. Dies galt nur den Reitern; die Bagage hatte nachzukommen. Zu dieser aber gehörten die Weihnachtsbäume nicht. Sie wurden gleich mitgenommen. Dies geschah in der Weise, daß man die Lanze am Stamme des zusammengebundenen Bäumchens hinaufschob und sie dann unten, ganz wie gewöhnlich, in den Lanzenschuh des Steigbügels setzte. Das Bäumchen wurde dann, genauso wie sonst die Lanze, mit der einen Hand in der Mitte gehalten, während die andere die Zügel führte. So setzten wir uns denn, eine Art ‚Wald von Dunsinan‘ mit uns führend, in Bewegung, voran wir mit dem Mir, dann die Offiziere und hierauf die Truppe.
Als wir die Stadt erreichten, erregte unser Zug ein ganz ungewöhnliches Aufsehen. Man erkannte den Mir trotz der Einfachheit seines Anzuges. Man wußte, daß er die Ussulgarde verbannt hatte. Nun brachte er sie persönlich zurück. Es verstand sich ganz von selbst, daß man hieraus auf wichtige Ereignisse schloß, zumal man zwei ganz fremde Menschen neben ihm reiten sah. Die Wißbegierde wurde erregt und pflanzte sich schnell weiter, von Straße zu Straße, durch die ganze Stadt und noch weit über sie hinaus.
Am Schloß angekommen, brachten wir zunächst die hundert Bäume in einem Hof desselben unter. Dann wurde die bisherige Schloßwache abgelöst und ihre in der Nähe liegende Kaserne umringt. Dieses ganze, unzuverlässige Korps
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