25 - Ardistan und Dschinnistan II
mußte die Munition abliefern und hinaus nach der Strafkaserne marschieren, um dort an Stelle der Ussul interniert zu werden. Überhaupt wurde dieser Tage alles Militär, dem nicht zu trauen war, also besonders die bigott-mohammedanischen und die Lamatruppen aus der Stadt entfernt. Ich nahm mir nicht die Zeit, mich um diese Maßnahmen zu bekümmern, weil ich mit den Vorbereitungen zum Christfest mehr als genug zu tun hatte. Diese militärischen und diplomatischen Bewegungen hatten nur rein äußerliche Zwecke und Ziele. Wir aber, Halef und ich, standen vor der Aufgabe, die schlafende Volksseele aufzuwecken und in ihr die größte, die herrlichste und wichtigste Bewegung zu erzeugen, die es im Leben der Völker und des einzelnen gibt, nämlich die Bewegung zu Gott empor, die in der Tiefe der Seele beginnt, um nach den ewigen Höhen des Himmels zu steigen. Und ich gestehe aufrichtig, daß mir diese unsere Aufgabe wichtiger erschien als jede andere, obgleich sie mich zunächst zu Dingen und zu Arbeiten zwang, welche man daheim fast nur den Kindern und kindlichen Gemütern anvertraut. So unwichtig diese Sachen zu sein scheinen, ich muß doch über sie berichten und schicke da vor allen Dingen die Bemerkung voraus, daß Ard eine große Stadt mit Hunderttausenden von Einwohnern ist, die nicht etwa nur die niederen Beschäftigungen, sondern auch alle möglichen orientalischen Wissenschaften, Künste und Gewerbe treiben. Die Stadt ist der Mittelpunkt eines weitausgedehnten Handels. Es gibt da eine mohammedanische, eine buddhistische und eine konfuzianische Universität und eine Menge Schulen für den gewöhnlichen Mann. Daraus folgt, daß es hier keineswegs für mich unmöglich war, alles das zu finden, was ich zur Erreichung meiner Zwecke brauchte, wenn ich auch zugeben muß, daß mir das nicht so bequem lag wie daheim.
Zunächst erwähne ich, daß wir unsere zwei kleinen Zimmer nicht wiederbekamen. Es wurde uns eine Reihe sehr bequemer, prächtiger Räume angewiesen, die unmittelbar an die Wohnung des Mir stießen. Auch unsere Pferde wurden in dementsprechender Weise anders untergebracht. Das war ein gutes Zeichen. Hierbei erfuhr ich, daß der ‚Panther‘ die Zimmer bewohnt hatte, die ich jetzt bekam. Er hatte sie ganz plötzlich und unvorbereitet verlassen müssen, und zwar schon in der vergangenen Nacht. Als der Mir uns verließ, um zum Ritt nach der Strafkaserne satteln zu lassen, war er mit Halefs Hunden direkt zum ‚Panther‘ gegangen, um ihn über die geplante Verschwörung zu unterrichten und ihm den Befehl zu erteilen, sofort zu den gegen den Mir von Dschinnistan marschierenden Truppen aufzubrechen und den Oberbefehl über sie zu übernehmen, weil der jetzige General ein leidenschaftlicher Mohammedaner und also nun verdächtig war. In echt orientalischer Weise wurde dem ‚Panther‘ keine Zeit gegeben, sich auf diese Reise vorzubereiten. Er hatte sich nur schnell umzukleiden, und binnen zehn Minuten im Sattel zu sitzen. Was er brauchte, wurde ihm nachgeschickt. Der Mir führte ihn selbst in den Stall, wo er ja ohnedies seinen Schimmel für sich satteln zu lassen hatte, und sah ihn dann mit eigenen Augen auf das Pferd steigen und fortreiten. Er selbst erzählte es mir, und als ich ihn fragte: „Warum so schnell?“ antwortete er:
„Wenn es sich um meinen Thron und um mein Leben handelt, gibt es keine Zeit, die Ausführung meiner Befehle aufzuschieben! Habe ich unrecht getan? Du scheinst den ‚Panther‘ nicht zu lieben!“
Ich antwortete nur:
„Du tatest recht. Nun handelt es sich nur darum, ob auch er das Richtige tut!“
Um diesem nicht ganz ungefährlichen Gespräch eine andere Richtung zu geben, trug ich nun dem Mir die Wünsche vor, die ich in Beziehung auf die Vorbereitung zum Weihnachtsfest hatte. Sie wurden mir alle erfüllt. Ich bekam mehrere Parterreräume angewiesen, in denen wir unser ‚Weihnachtsbüro‘ aufschlugen. Schreiber und Arbeiter wurden uns zur Verfügung gestellt, vor allen Dingen auch Zimmerleute zur Herstellung der ‚Füße‘ für die Tannen. Händler kamen, um Proben von Pappe und Papier vorzulegen. Ein alter orientalischer Goldschlägermeister wurde mit zwei Gesellen engagiert. Bekanntlich ist die Goldschlägerkunst eine echt orientalische Kunst. Schon die alten Ägypter hatten es darin zu großer Vollkommenheit gebracht. In diesem unserem Fall handelte es sich selbstverständlich nur um billiges Blattmetall aus Messing und Tombakblech. Ein Drechsler bekam den Auftrag,
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